Großes Problem: Viel zu wenig Menschen mit türkischen oder arabischen Wurzeln als Spender registriert
Viele Leukämie-Patienten können nur durch Transplantation von Stammzellen eines gesunden Spenders geheilt werden. Als Spender geeignet sind bei etwa einem Drittel der Patienten deren Geschwister. Bei Menschen türkischer Herkunft sind es wegen der oft größeren Geschwisterzahl etwas mehr. Bei den verbleibenden muss man einen Fremdspender suchen. Weltweit waren Ende 2012 20 Millionen Menschen als Spender registriert. Wegen dieser großen Zahl wird für etwa 80% aller Patienten ein geeigneter Fremdspender gefunden. Diese an sich schöne Zahl ist jedoch irreführend. Bei weltweiter Suche wird für etwa 90% „klassischer“ Mitteleuropäer/Deutscher ein Spender gefunden, aber nach Einschätzung von Prof. Winfried Gassmann, Chefarzt der Klinik für Hämatologie & Onkologie im St. Marien-Krankenhaus Siegen nur für etwa 30% – 40% der Menschen türkischer oder arabischer Abstammung. Dies liegt daran, dass nicht ausreichend viele Menschen mit türkischen oder arabischen Wurzeln als Spender registriert sind.
„Ich denke, dass Deutschland mit seinen vielen Menschen türkischer Herkunft die Aufgabe hat, dafür zu sorgen, dass sich möglichst viele von ihnen als Spender registrieren lassen. Ich halte dies für eine wichtige Integrationsaufgabe“, so Prof. Winfried Gassmann in einem offenen Brief, den er heute u.a. an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkische Gemeinde in Deutschland, und Staatsministerin Aydan Özoğuz geschickt hat.
Gegenwärtig behandelt Prof. Gassmann wieder einen jungen türkisch-stämmigen Mann, der an einer Leukämie leidet, die nur durch Fremdspender-Transplantation geheilt werden kann, für den aber kein Spender gefunden wurde. „Dies kommt bei mir und meinen Kollegen häufig vor und wird von uns normalerweise als Schicksal akzeptiert. Ich kann dieses Schicksal jedoch immer weniger ertragen, denn es lässt sich ändern“, so Gassmann.
Die Spendersuch-Organisationen, in Deutschland die DKMS (deutsche Knochenmarkspenderdatei), weisen auf die weltweit große Zahl typisierter Spender hin und veranstalten immer wieder Typisierungsaktionen. Das ist ansich sehr verdienstvoll, aber viele Beteiligte sind zu sehr an der absolut großen Zahl interessiert. Wichtiger wäre es jetzt, die Typisierungslücken für Menschen mit türkischer oder arabischer Herkunft zu schließen. Die Versuche, diese Lücken zu schließen, waren bislang unzureichend. Die Zahlen mögen dies verdeutlichen: Die DKMS verfügt über knapp 3 Millionen typisierte Spender in Deutschland; davon haben laut Pressemappe der DKMS (1991-2013) nur 95.742 eine türkischer Abstammung. Dies führt oft dazu, dass man für Menschen mitteleuropäischer Herkunft nicht selten unter mehreren möglichen Spendern auswählen kann, während türkische-stämmige Patienten keinen einzigen haben. „Wir brauchen dringend große Typisierungs-Aktionen, die sich gezielt an Menschen mit außereuropäischem Migrationshintergrund wenden“, so der Onkologe. „Auf jeden Fall ist es erforderlich, dass dieses medizinische Versorgungsproblem bekannt wird. Ich möchte Sie deshalb darum bitten, dieses Problem einerseits öffentlich zu machen und andererseits Lösungsansätze zu entwickeln.“
Quelle: St. Marien-Krankenhaus