„Vision Zero“, keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr – diesem Ziel, das weltweit von Verbänden, Verkehrspolitikern und nicht zuletzt von Automobilunternehmen wie zum Beispiel Mercedes-Benz verfolgt wird, hat sich schon vor sieben Jahren auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) angeschlossen. Grundlage in der Strategie für den Weg dahin ist ein sicheres Verkehrssystem und die Einsicht, dass der Mensch als Teil dieses Systems nicht fehlerfrei agiert. Die Gestaltung der Verkehrsmittel und der Verkehrswege muss dieser Erkenntnis entsprechen und die Regelwerke zur Teilnahme am Straßenverkehr sind entsprechend anzupassen. Und auch die Technik kann ihren Beitrag dazu etwa mit sinnvollen Fahrerassistenz-Systemen leisten.
Ute Hammer, DVR-Geschäftsführerin weiß: „Vision Zero wird leider oft missverstanden. Viele setzen diesen Begriff gleich mit einer Vision oder dem Wunsch, es möge keine schweren Verkehrsunfälle mehr geben. Das hat jedoch keinen Neuwert. Dem Satz ‚Jeder Verkehrstote ist ein Toter zu viel‘ kann sich jeder anschließen. Die Idee der Vision Zero impliziert jedoch, die Verkehrswelt mit ganz anderen Augen zu betrachten, so wie einen Arbeitsplatz, der sicher gestaltet sein muss.“ Jetzt ging der DVR in einer zweitägigen Veranstaltung der Frage nach, wo Potenziale für ungeschützte Verkehrsteilnehmer liegen. Also für jene, die von keinerlei Knautschzonen bei einem Verkehrsunfall vor schweren Verletzungen oder schlimmeren Dingen geschützt werden: Fußgänger und Radfahrer, wobei besonders Kinder, Senioren und Behinderte im Focus standen.
Die Zahlen lassen niemanden kalt: Fast 1,3 Millionen Menschen sterben jedes Jahr weltweit bei Verkehrsunfällen, zwischen 20 und 50 Millionen erleiden erhebliche Verletzungen. 90 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle passieren in Schwellenländern. Die wachsende Motorisierung in diesen Ländern wird die Opferzahlen weiter nach oben treiben, denn weder sind die Straßen dort auf Automassen ausgelegt, noch die Bewohner auf sie vorbereitet. Dem gegenüber haben einige Industriestaaten inzwischen derart wenige Verkehrstote, dass sie für die kommenden Jahre als offizielles Politikziel die “Vision Zero” festgeschrieben haben. Es ist aber noch nicht gelungen, die Sicherheit für ungeschützte Verkehrsteilnehmer im gleichen Maße zu verbessern wie für Autofahrer.
Das zeigen auch die Zahlen aus Deutschland deutlich: Im Jahr 2013 verunglückten hier zu Lande 71 420 Radfahrer und 31 364 Fußgänger, 354 Radfahrer und 557 Fußgänger starben. Besondere Problemgruppen dabei sind ältere Menschen und Kinder. Jeder zweite getötete Fußgänger, aber auch jeder zweite getötete Radfahrer ist momentan in Deutschland über 65 Jahre alt. Im Jahr 2013 verunglückten 28 143 Kinder auf deutschen Straßen – 24 Prozent davon zu Fuß und 33 Prozent mit dem Rad. „Dabei spielen nicht selten falsch genutzte Verkehrsanlagen eine Rolle“, glaubt Prof. Jürgen Gerlach von der Bergischen Universität Wuppertal und fordert deshalb „ausreichende Flächen und gute Sichtbeziehungen insbesondere für den Rad- und Fußgängerverkehr zur Verfügung zu stellen“.
Radfahren ist in den vergangenen Jahren populärer geworden, und der Radverkehrsanteil steigt weiter. Besonders für Menschen, die am Beginn des Rentenalters mehr Zeit haben, ist es attraktiv, in Alltag und Freizeit mit dem Rad zu fahren. „Zu den persönlichen Risiken von älteren Verkehrsteil-nehmern gehören Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens, die nicht durch Hilfsmittel ausgeglichen werden“, warnt Professor Carmen Hagemeister von der Technischen Universität Dresden. „Viele Personen, die ein Hörgerät besitzen, lassen es zu¬hause oder schalten es bei der Teilnahme am Straßenverkehr ab, weil es sehr laute und unangenehme Windgeräusche erzeugt. Dieses Verhalten führt zu einem höheren Unfallri¬siko bei Radfahrern und Radfahrerinnen.“
Mit Menschen mit Behinderungen in der Mobilität befasste sich Prof. Reinhilde Stöppler von der Justus Liebig-Universität in Gießen. Für sie ist die Teilnahme am Verkehr oftmals mit unüberwindbaren Problemen verbunden, weil es Barrieren unterschiedlicher Art und Ausprägung gibt. Die Professorin sagte: „Gründe dafür können zum einen in der der meist nicht barrierefreien Gestaltung der Verkehrswelt liegen, zum anderen auch in der fehlenden Mobilitätsförderung. Viele Menschen mit Behinderungen haben es zudem nicht gelernt, selbstständig und selbstbestimmt am Straßenverkehr teilzuhaben. „
Insgesamt bleibt in Deutschland im innerörtlichen Verkehr noch sehr viel zu tun, bis Fußgänger und Radfahrer nicht mehr zu den Verlierern zählen. Das gilt gleichermaßen für eine verbesserte Infrastruktur, für eine stärkere Trennung der unterschiedlichen Verkehrswege, für eine intensivere Verkehrserziehung für Kinder ebenso wie für Erwachsene und vieles mehr. Trotz der bisher erreichten Verbesserungen verunglückte in Deutschland im Jahr 2013 im Durchschnitt immer noch alle 5 Minuten ein Fußgänger oder Fahrradbenutzer im Straßenverkehr. Pro Tag verloren zwei ungeschützte Verkehrsteilnehmer ihr Leben infolge eines Verkehrsunfalls. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit den Straßenverkehr für die Radfahrer und Fußgänger sicherer zu gestalten.
Quelle: (ampnet/hhr)
Fotos: Auto-Medienportal.Net