Wir alle kennen noch die Aufkleber auf den Rettungswagen: „Schlaganfall – ein Notfall.“ Und doch handeln viele Betroffene nicht schnell genug. Häufig tut man die ersten Anzeichen einfach ab als Unwohlsein und hat doch gewisse Hemmungen und Ängste, den Rettungsdienst zu rufen. Dabei geht es aber eigentlich um Sekunden.
„Ein Schlaganfall ist diagnostisch gesehen eine plötzliche Funktionsstörung des Gehirns. Zum Großteil wird er durch den Verschluss eines Gefäßes, das das Hirn mit Blut versorgt, verursacht durch ein Blutgerinnsel ausgelöst. Etwas seltener resultieren Schlaganfälle aus einer Hirnblutung. Letztendlich werden Nervenzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und beginnen abzusterben. In jeder Sekund, die der Schlaganfall andauert, sterben Hirnzellen ab. Daher sind die ersten Stunden nach einem Schlaganfall auch so entscheidend“, so fasst Prof. Dr. Martin Grond, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Weidenauer Kreisklinikum, die Problematik zusammen.
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall muss daher schnell gehandelt werden. Nur durch rasches Handeln und einen umgehenden Therapie-Beginn können weitere Gehirnzellen vor dem Absterben gerettet und spätere Beeinträchtigungen so gemindert werden. Es besteht die Chance, geistige und körperliche Folgen des Schlaganfalls zu begrenzen oder zu vermeiden. Jede Minute zählt: Jeder Schlaganfall ist ein Notfall!
Deshalb ist es besonders wichtig,
- die Schlaganfall-Symptome zu kennen und zu erkennen
- und richtig zu handeln.
Die Symptome:
- Herabhängende Mundwinkel („schiefer Mund“)
- Eine meist einseitige Lähmung der Extremitäten
- Meist einseitige Gefühlsstörungen von Gesicht oder Extremitäten („taub“, wie beim Zahnarzt)
- Sprach- oder Sprechstörungen
- Sehstörungen
Dabei müssen aber nicht alle Beschwerden zusammen auftreten, zudem gibt es keine feststehende Reihenfolge, welche Symptome wann einsetzen.
Die Maßnahmen:
- Sofort den Notruf 112 anrufen
- Den Betroffenen möglichst nicht alleine lassen
- Kontrollieren, ob der Patient wach ist und ausreichend atmet
Wenn nicht: stabile Seitenlage, ggf. Wiederbelebungsmaßnahmen - ACHTUNG: keine Getränke reichen, da Schluckstörungen zu Problematiken führen können
Was passiert dann nach dem Notruf?
Durch den Notruf bei der Rettungsleitstelle wird der Notarzt alarmiert. Arzt und Rettungssanitäter versorgen den Betroffenen zunächst vor Ort und bringen ihn idealerweise schnellstmöglich in ein für Schlaganfall-Betroffene spezialisiertes Krankenhaus. Patienten mit einem akuten Schlaganfall werden idealerweise in einer spezialisierten Klinik mit einer so genannten Stroke Unit, zu Deutsch einer speziellen Schlaganfall-Einheit, behandelt.
In der Stroke Unit wird der Betroffene zunächst umfassend körperlich untersucht. Um mit einer gezielten Therapie beginnen zu können, wird mittels einer Computertomographie (CT) oder einer Kernspintherapie (MRT) nach dem Hauptgrund für den Schlaganfall gesucht. „Mit dieser Schichtaufnahme können unsere Ärzte schnell feststellen, ob es sich um eine Hirnblutung („Platzen“ eines Gefäßes) oder um einen Hirninfarkt („Verstopfen“ eines Gefäßes) handelt,“ erläutert Prof. Dr. Grond, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist, die zwei wesentlichen möglichen Ursachen für den so gefürchteten Schlaganfall.
Neben einer so genannten Basistherapie, die aus einer Überwachung der Körpertemperatur und des Blutzuckers sowie Behandlung der Atem- und Herzkreislauffunktionen besteht, gibt es abhängig vom ermittelten Hauptgrund und anderen medizinischen Kriterien viele verschiedene weitere therapeutische Maßnahmen.
Behandlungsschwerpunkte:
Die beim Herzinfarkt schon länger eingesetzte Thrombolyse wird seit Jahren auch in der Therapie von Hirninfarkten eingesetzt. Hierbei werden Medikamente in den Körper eingebracht, um bestehende Blutgerinnsel aufzulösen. Laut Prof. Dr. Grond „steckt dahinter die Idee, dass die von der Versorgung abgeschnittenen Bereiche des Gehirns zunächst mit Blut und dadurch wieder mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und so vor dem Absterben bewahrt werden können.“ Wenn die Medikamente über eine venöse Infusion gegeben werden, spricht man von einer systemischen Thrombolyse. Dieses Verfahren ist allerdings nur bis zu viereinhalb Stunden nach Einsetzen der ersten Symptome des Schlaganfalls möglich. Daher u.a. auch die Aufforderung zur schnellen Reaktion.
Bei einer lokalen Thrombolyse wird das Medikament über einen Katheter direkt „vor Ort“ in der Hirnarterie verabreicht. Dieses ist noch bis zu sechs Stunden nach Einsetzen der Symptome möglich, jedoch nur in hochspezialisierten Schlaganfallzentren, wie dem Weidenauer Krankenhaus. Die ersten Stunden und Tage nach einem Schlaganfall verbringt der Betroffene auf der speziellen Überwachungs- und Therapiestation.
Ein wesentlicher weiterer Behandlungsschwerpunkt am Siegener Kreisklinikum ist die nachgelagerte Prävention. Ziel ist es, von Anfang an durch Medikamente eine erneute Blutgerinnung zu hemmen und dadurch die Bildung von weiteren Gefäßverstopfungen zu verhindern. Hierbei wird nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen vorgegangen.
Bei Hirnblutungen oder bei Hirninfarkten, die mit einer Schwellung des Hirngewebes einhergehen, kann auch einmal eine Operation am Gehirn notwendig sein. Z.B muss bei großen Hirninfarkten manchmal dem sich ausdehnenden Gehirn durch eine Entfernung von Teilen des Schädelknochens Raum gegeben werden. Der entfernte Teil des Schädelknochens wird wieder eingesetzt, wenn sich die Schwellung zurückgebildet hat. Solche aufwendige Eingriffe kommen sehr selten vor, können im Weidenauer Kreisklinikum aber jederzeit durchgeführt werden.
STROKE UNITS- Spezialstationen für Schlaganfall-Patienten
Stroke Units sind spezielle Stationen, auf denen Betroffene in den ersten Tagen nach ihrem Schlaganfall betreut werden. Hier erfolgt die weitere Diagnostik, die Patienten werden überwacht und therapiert. Die Idee der „Schlaganfall-Einheiten“ stammt aus den USA, wo die Stationen in Anlehnung an „Coronary Care Units“ – Stationen zur Behandlung von Menschen mit Herzinfarkt ‑ entstanden sind. In Deutschland gibt es Stroke Units seit Mitte der 90er Jahre. Inzwischen sind mehr als 250 von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe als ebensolche zertifiziert. Wenigen, besonders hochspezialisierten Zentren, wird dabei das Merkmal „Überregionale Stroke Units“ zuerkannt. Dazu gehört seit längerem bereits auch die Stroke Unit am Weidenauer Kreisklinikum. Hier hält man die apparativen und die personellen Voraussetzungen für alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen vor. Die lebensnotwendigen Funktionen der Betroffenen werden rund um die Uhr überwacht, ein interdisziplinäres Team von Fachärzten, bestehend aus Neurologen, Kardiologen, Neurochirurgen und insbesondere auch Neuroradiologen, arbeitet zusammen. Zudem beginnt bereits im Krankenhaus in den ersten Tagen die Rehabilitation durch Physio- und Ergotherapie, Logopädie und speziell ausgebildete Pflegende.
Nach durchschnittlich drei bis fünf Tagen können die meisten Patienten die Stroke Unit verlassen, entweder werden sie zunächst auf die neurologische Normalstation und später in eine Rehaklinik verlegt oder sie werden direkt in das spezielle neurogeriatrische Programm aufgenommen. Dort erfolgt dann in den nächsten Wochen in intensiven Therapien eine möglichst weitgehende Wiederherstellung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit.
Hohe Standards sichern die medizinische Qualität
Mit jährlich mehr als 4.500 stationären und ca. 3.600 ambulanten Behandlungen ist die Klinik für Neurologie des Kreisklinikums Siegen eines der leistungsfähigsten neurologischen Zentren bundesweit. Für die schonende Diagnostik und Therapie stehen modernste Instrumente zur Verfügung. Der hohe Qualitätsstandard wird kontinuierlich durch ausführliche interne sowie ergänzende externe Qualitätssicherungsverfahren gewährleistet. Ein Beispiel hierfür ist die Teilnahme an der Datenbank „Qualitätssicherung in der Schlaganfallbehandlung Nordwestdeutschland“
Abteilung in Zahlen
Ärztliche Stellen 23
Planbetten 90
Anzahl Patienten stationär 4.751
Anzahl Patienten ambulant 3.424
Ambulante Behandlungen 3.692
Quelle/Fotos: Kreisklinikum Siegen