Information der DRK-Kinderklinik Siegen zum Tag des Kinderkrankenhauses 2014
Die Tendenz im Gesundheitswesen zeigt eine klare Entwicklung auf: ältere Patienten stehen im Fokus. Sicherlich ist das bei der Bevölkerungsentwicklung nachzuvollziehen. Doch warum muss das mit einem Abbau der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen einhergehen? So ist die Zahl der kinderchirurgischen Abteilungen seit 1994 von 101 auf 81 im Jahr 2012 in Deutschland gesunken (Angaben der DGKCH). Damit könne von einer flächendeckenden kinderchirurgischen Versorgung keine Rede sein, mahnte die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) nun auch zum Tag des Kinderkrankenhauses am 21. September.
Daher fordert die DGKCH nun auch öffentlich, dass Kinder grundsätzlich in Kinderkliniken mit kinderchirurgischen Abteilungen oder in Zusammenarbeit mit einer kinderchirurgischen Abteilung behandelt werden. Knochenbrüche, Leistenhernien, Hodenhochstand oder Blinddarmentzündung: Jedes Jahroperieren die Spezialisten, ausgebildete Kinderchirurgen, rund 120 000 Kinder. Doch werden immer noch viel zu viele der Operationen an Heranwachsenden durch Erwachsenenchirurgen durchgeführt. „Denn ein Großteil der Kliniken betreibt gar keine Abteilung für Kinderchirurgie“, so Professor Dr. med. Bernd Tillig, Präsident der DGKCH. „Aber auch wenn eine qualifizierte Kinderchirurgie in der Nähe verfügbar ist, kommt es vor, dass ein 6-jähriger in der benachbarten Erwachsenenklinik nach Erwachsenenkriterien operiert wird – und damit nicht die bestmögliche kindgerechte Behandlung erhält“, sagt Dr. med. Tobias Schuster aus Augsburg, der Pressesprecher der DGKCH ist.
Kinderchirurgie ist mehr als Chirurgie am Kind, geben die Fachleute zu Bedenken. Nicht immer kann man das Vorgehen aus der Erwachsenenchirurgie unverändert auf das Kind übertragen. „Unsere Patienten unterscheiden sich je jünger sie sind umso mehr von Erwachsenen, insbesondere auch in den Krankheitsbildern wie etwa bei komplexen Fehlbildungen, die bereits mit der Geburt erkannt werden“, erläutert Dr. Stefan Beyerlein von der Siegener Kinderklinik. Selbst bei gleicher Diagnose wie etwa einem Bruch verlaufen Erkrankungen oft unterschiedlich: Bei vielen kindlichen Knochenbrüchen genügt ein Gips oder eine Schiene anstelle einer Operation wie in der Erwachsenenchirurgie, denn der wachsende Körper kann bis zu einem gewissen Grad Schäden noch korrigieren und muss nicht immer direkt den Gefahren einer OP ausgesetzt werden. Aus Sicht nicht nur der Spezialisten an der DRK-Kinderklinik Siegen setzt eine Versorgung von Kindern und Jugendlichen besondere Kenntnisse und Erfahrungen über das Wachstum und die Strukturen des indlichen Organismus voraus.
„Außerdem haben Kinder und deren Familien selbst bei einem vergleichbarem Krankheitsverlauf ganz andere Bedürfnisse bei der unmittelbaren Pflege und Versorgung im Krankenhaus als der einzelne Erwachsene“, so Stefanie Wied, Geschäftsführerin der DRK-Kinderklinik Siegen: „Kinder und deren häufig in Kinderklinken mitaufgenommene Eltern brauchen ein auf ihre Bedürfnisse angepasstes Umfeld mit Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekräften, kindgerechten Verfahren wie zum Beispiel einer pädiatrischen Intensivmedizin oder einer speziellen Kinderanästhesie und auch in der Gestaltung und Struktur auf Betreuung und Nachsorge eingestellter Stationen. Dabei werden die Eltern auch bewusst in die Behandlung integriert.“
Doch die Realität in Deutschland sieht leider anders aus: Bei fast gleicher Zahl an stationären Fälle seit 1994 ist die Zahl verfügbarer kinderchirurgischer Betten von etwa 3200 auf rund 1800 gesunken. Das liegt auch an der mittlerweile kindgerecht verringerten Verweildauer im Krankenhaus und an den vermehrt ambulant durchgeführten Eingriffen. „Ein Grund für den Bettenabbau ist aber auch, dass die Kostenträger die im Vergleich zur Erwachsenenmedizin oft aufwändigeren Leistungen nicht hinreichend vergüten“, erläutert Geschäftsführerin Wied, deren Klinik selbst 2012 mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu kämpfen hatte.
„Unserer Gesellschaft sollte es wert sein, kranke Kinder bestmöglich behandeln zu lassen“, sagt Tillig als Präsident des Verbandes. Dazu gehöre eine flächendeckende Versorgung aus hochspezialisierten Zentren und wohnortnahen Versorgungsstrukturen mit definierter Struktur und Qualität. Voraussetzung dafür sei jedoch die bessere Vergütung der medizinischen Leistungen. Sinnvoll findet die DGKCH auch eine Beteiligung bei der Landesplanung, so der Pressesprecher. Hier sei Hamburg, bei der soeben erfolgten Neufassung des Hamburgischen Krankenhausgesetzes, vorbildlich vorgegangen. So wurde bestimmt, dass Kinder grundsätzlich in Kinderkliniken oder -abteilungen behandelt werden müssen.
Genug Gründe also, warum Kinder im Falle einer ernsthaften Erkrankung in einer Kinderklinik oder einer speziellen Kinderabteilung medizinisch versorgt werden sollten. Und auch die ambulante Versorgung sollte immer durch einen niedergelassenen Kinder- und Jugendmediziner erfolgen. Denn Hausärzte für Erwachsene haben ja auch so schon hinreichend zu tun.
Quelle/Foto: Kinderklinik Siegen