Es ist nicht lange her, als Prominente aller Kategorien sich Eiswürfel übers Haupt schütteten. Es ist wichtig und richtig, auf seltene Erkrankungen aufmerksam zu machen. Denn deren Spektrum ist weit. Einige fallen unter die Überschrift „angeborene Immundefekte“. Alleine in Deutschland leiden ca. 100.000 hierunter, einer Krankheit, die genetisch bedingt und zudem lebensbedrohend ist. Nur etwa 3,5 % davon sind diagnostiziert und erhalten eine adäquate Therapie. Hinter jedem dieser Menschen steht ein bewegtes Schicksal, oft verbunden mit einem langen Leidensweg. Der Defekt wird meist gar nicht oder erst viel zu spät erkannt: Dies kann im schlimmsten Fall tödliche Folgen haben! Einen besonderen Fall hat die Marien konkret-Redaktion gefunden: „Heute ist Mario ein fröhliches, aktives Kind, spielt draußen auch bei Wind und schlechtem Wetter“, freut sich Gabriele D. „Erst wenn er mittags völlig erschöpft nach Hause kommt, sich in die Sofaecke kuschelt und einschläft, merke ich ihm an, dass bei ihm etwas anders ist als bei seinen Freunden.“ Mario schläft dann mindestens zwei Stunden. Der Junge leidet an einem angeborenen Immundefekt. Als die Ärzte das endlich herausfanden, hatte er allerdings schon einen sehr langen Leidensweg hinter sich.
Die Irrfahrt beginnt
Die ersten drei Monate nach der Geburt war Mario ein richtiger Wonneproppen. Doch plötzlich begann er zu kränkeln und litt ständig unter heftigem Schnupfen und Husten. Medikamente halfen nur kurze Zeit. „Nachts schreckte mein Baby immer wieder aus unruhigem Schlaf hoch. Was mich vor allem wunderte: Er war krank, fieberte aber nicht. ‚Da stimmt doch was nicht‘, sagte ich besorgt zum Kinderarzt.“ Der Arzt vermittelte ihr jedoch nur das Gefühl, sie sei neurotisch und hysterisch. „Jedesmal drückte er mir ein Rezept in die Hand, und schon war ich wieder draußen.“
Eines Tages – Mario war inzwischen 13 Monate alt – entdeckte Gabriele Blut in seiner Windel. Voller Panik ging sie sofort wieder in die Praxis. Diesmal untersuchte der Arzt Marios Urin. Weil der trüb und flockig aussah, überwies er den Jungen ins Krankenhaus. Dort haben die Ärzte festgestellt, dass Marios Harnleiter völlig verstopft ist. Aber helfen konnten sie auch nicht. „Deshalb sind wir in ein anderes Krankenhaus weitergeschickt worden“, so Gabriele. Nach einer ersten Blasenspiegelung und einer Ultraschall-Untersuchung ermittelten die Mediziner dort eine niederschmetternde Ursache: Marios Blase war voller Blut, die Nieren arbeiteten nur noch mit halber Kraft.
Das Schlimmste war für mich jedoch, dass die Experten über die Ursache der Erkrankung offensichtlich rätselten. Was war nur mit unserem Jungen los?“
Das sollten weitere Blutuntersuchungen klären. Bei einer zweiten Spiegelung entnahmen Ärzte Gewebe aus der Blase. Hatte Mario womöglich Krebs? Befund negativ! Trotzdem war die Mutter nervlich am Ende, wusste nicht mehr, wie sie ihre Ängste bändigen sollte. „Da lag unser Mario still im Gitterbettchen, durfte sich nicht rühren, damit der Urin durch einen Katheder ablaufen konnte, und wurde immer durchsichtiger und schmaler zwischen den weißen Laken.“ Bei einer dritten Blasenspiegelung hatte Mario viel Blut verloren. Die Ärzte rieten dringend zu einer Transfusion. „Ich war verzweifelt und stimmte zu.“ Und dann passierte das Unvorhergesehene: Mario, der noch nie erhöhte Temperatur gehabt hatte, bekam plötzlich heftiges Fieber. Das musste mit der Bluttransfusion zusammenhängen. Enthielt sie etwa einen Stoff, der Mario fehlte?
Es geht aufwärts
Jetzt endlich zogen die Ärzte einen Spezialisten hinzu. Noch einmal wurde Mario Blut abgenommen. Dann kam die Diagnose: Sein Blut enthält keine sogenannten B-Zellen, die Krankheitserreger abwehren. „Bis zu diesem Befund hatten wir immerhin fast drei Monate im Krankenhaus verbracht“, so Gabriele. Doch von nun an ging es mit Mario aufwärts. Alle drei Wochen erhielt er eine Infusion mit dem fehlenden Immunglobulin. Und die muss er nun sein Leben lang bekommen. „Auch ich fasste wieder Mut, holte mir professionelle Hilfe bei einer Psychotherapeutin. Sicher, mein Mann stärkte mich, wo es nur ging.“
Mit vier Jahren begann Mario aber, die Infusionen zu verweigern. Er wollte nicht mehr ins Krankenhaus, weil er wusste, dass ihn dort Schmerzen erwarten. „Hilflos stand ich daneben. Mit einem Kloß im Hals und Tränen in den Augen beharrte ich: ‚Mario, es muss leider sein!‘„ In solchen Momenten glaubte die Mutter zusammenzubrechen, dachte, sie könne nicht mehr. Doch immer wieder raffte sie sich auf, denn für ihr Kind wollte sie alles tun, was in ihrer Macht stand. Sie suchte Leidensgefährtinnen. Und fand sie bei der „dsai“. „Heute stützen wir uns gegenseitig, tauschen Erfahrungen und Wissen aus.“
Text: Christian Kreuzberg/dsai
Foto: © Vertigo Signs – Fotolia.com