Immuntherapie in der Krebsbehandlung

Doctor examines the patient tomography

Die Immuntherapie wird die Behandlung von bösartigen Erkrankungen in den kommenden Jahren deutlich verändern. Neue und sehr unterschiedliche Ansätze wie bispezifische oder immunregulatorische Antikörper, die Tumorvakzine oder genmodifizierte T-Lymphozyten werden allein oder in Kombination mit bereits bewährten Medikamenten Anwendung finden. Dabei sind die Potenziale genauso groß wie der Forschungsbedarf.

In den letzten zwei Jahren hat sich die Tumor-Immuntherapie von einem langjährigen Hoffnungsträger zu einem Therapieansatz mit großem Potenzial gemausert. Nicht umsonst erklärte das Wissenschaftsmagazin Science den immuntherapeutischen Ansatz bei der Behandlung von Krebs 2013 zum „Breakthrough of the Year“, dem Durchbruch des Jahres. „Es spricht in der Tat einiges dafür, dass wir am Beginn einer neuen Ära in der Tumortherapie stehen. Wir sind optimistisch, dass wir bald zahlreichen Patienten neue, effektive Behandlungen anbieten können“, betont Prof. Dr. Carsten Bokemeyer jüngst auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie.

Checkpoint-Hemmung als neues Therapiekonzept

Das Immunsystem reagiert zwar bei vielen Patienten auf eine Krebserkrankung, wird aber vom eigenen regulatorischen Netzwerk blockiert. Jetzt stehen Medikamente für die Aufhebung dieser internen Blockade zur Verfügung. Der derzeit am intensivsten diskutierte immuntherapeutische Ansatz ist die Hemmung wichtiger Schaltstellen der Immuntoleranz („Checkpoint-Hemmung“).

Antikörper wie Ipilimumab, der gegen das cytotoxische T-Lymphozyten assoziierte Antigen (CTLA-4) gerichtet ist, haben in den letzten Jahren die Behandlung von Patienten mit metastasiertem Melanom erheblich verändert. „Eine CTLA-4-Blockade unterdrückt in der frühen Phase der T-Zellaktivierung im Lymphknoten die Immuntoleranz und löst so antitumorale Effekte aus“, erläutert Prof. Dr. Andreas Mackensen vom Universitätsklinikum Erlangen. Neue Hoffnungsträger seien sogenannte PD-1-Antikörper, die mittlerweile in zahlreichen klinischen Studien evaluiert werden. Anders als CTLA-4-Blocker wirkten sie in der Effektorphase des Immunsystems im peripheren Gewebe und damit an der Kontaktstelle zwischen Tumorzelle und T-Zelle.

Im Juli des Jahres wurde in Japan mit Nivolumab der erste PD-1-Blocker für den Einsatz beim nichtoperablen malignen Melanom offiziell zugelassen. Im September des gleichen Jahres folgte in den USA dann die Zulassung von Pembrolizumab, ebenfalls für den Einsatz beim Melanom. Europa dürfte in Kürze folgen. Unklar ist noch, wie die unterschiedlichen Therapieansätze am besten gemeinsam eingesetzt werden sollten: „Sequenzielle Therapien sind genauso denkbar wie Kombinations-behandlungen“, betont Mackensen.

Checkpoint-Hemmung: Was ist die beste Gesamtstrategie?

„Wir benötigen dringend weitere Studien zu unterschiedlichen Therapieregimes, um den Klinikern bessere Daten an die Hand geben zu können, die es ihnen erlauben, die neuen Substanzen so einzusetzen, dass die Patienten den optimalen Nutzen haben“, erklärt Prof. Dr. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der Gesellschaft, zusammen. „Es wird sich zeigen, ob die Checkpoint-Inhibitoren das Potential haben, auch bei anderen Krebserkrankungen als dem malignen Melanom zu einer wichtigen Säule in der Krebstherapie zu werden.”

Weitere Ansätze der Immuntherapie und Tumorvakzinierung

Neben der Checkpoint-Hemmung befindet sich derzeit noch eine ganze Reihe weiterer immuntherapeutischer Ansätze in der klinischen Prüfung. So wurden beispielsweise künstlich hergestellte bispezifische Antikörper entwickelt, die sowohl an Immunzellen als auch an Tumorzellen binden und beide miteinander verknüpfen. Das könnte die Anti-Tumor-Aktivität der Immunzellen verbessern. Auf eine Stärkung der Immunabwehr zielen auch Versuche, patienteneigene Immunzellen gentherapeutisch zu verändern, um die unerwünschte Toleranz des Immunsystems gegenüber Krebszellen zu umgehen. Bei dieser Methode, die in ersten Pilotstudien beeindruckend wirksam war, werden T-Zellen des Patienten entnommen, mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) modifiziert und dann reinfundiert. Die gentechnisch veränderte T-Zelle attackiert Tumorzellen und führt zu einer gezielten Proliferation von T-Zellen mit Anti-Tumor-Wirkung.

Seit Jahrzehnten hoffen Patienten auch auf eine Impfung gegen Krebs. Die therapeutische Vakzinierung ist jedoch schwierig, da das Immunsystem die Tumorzellen vielfach nicht erkennt oder die Tumorzellen sich der Immunüberwachung aktiv entziehen. Seit Herbst 2014 ist die erste in Europa zugelassene Vakzine für Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakrebs an vier Zentren in Deutschland verfügbar. „Von den Patienten scheinen die immuntherapeutischen Ansätze bisher gut akzeptiert zu werden. Trotzdem müssen wir auch diese neuen Waffen sorgfältig und kritisch einsetzen“, betont Bokemeyer.

Text: Christian Kreuzberg/DGHO
Foto: © sudok1 – Fotolia.com

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