Eine aktuelle Studie belegt: Psychische Erkrankungen sind weiter auf dem Vormarsch: 9,2 Prozent der gemeldeten Arbeitsunfähigkeitstage gingen im Jahr 2013 in Westfalen-Lippe darauf zurück, viel mehr als noch vor zehn Jahren – in 2004 waren es 5,6 Prozent. Fragt man die Mitarbeiter nach den Gründen für den Anstieg dieser Erkrankung, sagen sie häufig, dass sie sich im Betrieb nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Auch im Rahmen verschiedener Veranstaltungen der Diakonie Sozialdienste in Siegen wurde deutlich, wie wichtig dieses Thema in Bezug auf betriebliches Gesundheitsmanagement ist. Doqtor fragte nach: Gesundheitsmanager Boris Mauz und IKK-Regionalgeschäftsführer Frank Göckeler zu einem gesunden Miteinander.
Was genau bedeutet Wertschätzung?
Boris Mauz: Experten unterscheiden vier verschiedene Formen: Die emotionale Wertschätzung wird durch aktives Zuhören, eine höfliche Ausdrucksweise und freundliche Gesten ausgedrückt. Werden Informationen frühzeitig weitergegeben und Entscheidungen erläutert, spricht man von der informativen Wertschätzung. Die bewertende Wertschätzung zeigt sich zum Beispiel durch Lob, Anerkennung sowie konstruktive und faire Kritik. Die praktische Wertschätzung drückt sich durch den Rückhalt aus, den ein Mitarbeiter durch die Führungskraft erfährt.
Warum ist Wertschätzung ein wichtiger Faktor im Unternehmen?
Boris Mauz: In der Betriebswirtschaft gibt es die Faustregel: Leistung gleich Potenzial minus Störung. Störungen können Lärm oder Unterbrechungen, aber auch Ärger über mangelnde Wertschätzung sein. Dabei kann Wertschätzung, gerade wenn sehr viel zu tun ist, negative Belastungen ausgleichen. Darüber hinaus trägt sie dazu bei, dass Mitarbeiter nicht nur körperlich anwesend sind, sondern auch ihre volle Leistungsfähigkeit einbringen. Durch Wertschätzung werden sie motiviert und fühlen sich im Unternehmen wohl und mit ihm verbunden – das ist ein positiver Nebeneffekt in Zeiten drohenden Fachkräftemangels.
Wie wird Wertschätzung im betrieblichen Alltag integriert?
Frank Göckeler: Ich selbst führe knapp 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an verschiedenen Standorten in Siegen, Olpe und Arnsberg nach einer einfachen Formel: Nur wer sich selbst wertschätzt, kann seine Beschäftigten wertschätzend führen. Arbeitszufriedenheit und ein Erfolg versprechendes sowie gutes Betriebsklima entstehen nicht durch Kommandieren, Kritik und Kontrolle, sondern durch gezieltes Fördern und Fordern von Mitarbeitern sowie durch konstruktives Feedback. Gerade in Zeiten von Veränderungen ist ein wertschätzender Umgang unersetzlich. Dabei ist Wertschätzung keine Einbahnstraße: Wer sie seinen Mitarbeitern entgegen bringt, bekommt sie auch immer wieder zurück.
Was bedeutet das konkret?
Frank Göckeler: Wenn ich meinen Mitarbeitern eine wertschätzende Rückmeldung in Form von Lob oder fairer Kritik geben möchte, dann muss ich konkret werden und beschreiben, um welche Situation oder welches Verhalten es geht. Führungskräfte sollten dabei immer die Auswirkungen dieses Verhaltens – zum Beispiel für den Kunden oder für die Kollegen – offenlegen und schließlich die eigenen Empfindungen dabei schildern. So fühlt sich der Mitarbeiter ernst genommen und sieht in seiner Arbeit einen Sinn.
Text: Christian Kreuzberg
Symbolbild: © Trueffelpix – Fotolia.com