Deutschland ist europäischer Spitzenreiter bei Diabetes-Erkrankungen. Dennoch glauben die meisten Deutschen, „Zucker“ gehe sie nichts an. Auch wird er als eine Erkrankung gesehen, die nur alte Menschen betrifft. Ein fataler Irrtum: Etwa drei Millionen Menschen leiden hierzulande an Diabetes und wissen es nicht – sei es als Autoimmunerkrankung beim „jugendlichen“ Typ-1-Diabetes oder sei es als zunehmende Insulinresistenz des „Altersdiabetes“ vom Typ-2; auch Schwangere sind hiervon betroffen. Die Krankheit kündigt sich durch Vorboten wie Abgeschlagenheit an, doch erkennen viele Betroffene die Warnsignale nicht. Sie werten die Symptome meist als allgemeines Unwohlsein und beachtet sie nicht weiter. „Wer die ersten Anzeichen für Diabetes aber ernst nimmt und rechtzeitig mit gesunder Ernährung und ausreichend Sport gegensteuert, kann eine Therapie mit Medikamenten zumindest als Typ-2-Diabetiker hinauszögern und den Therapieverlauf positiv beeinflussen“, erklärt Chefarzt Dr. med. Heinrich Franz, Chefarzt der Medizinischen Klinik I im St. Marien-Krankenhaus Siegen, gegenüber der Gesundheit plus.
Warnsignale erkennen
Vermehrtes Wasserlassen und stark gesteigertes Durstgefühl sind die ersten Warnsignale des Körpers. Sie stehen in engem Zusammenhang: Da die Körperzellen den Zucker aus der Nahrung unzureichend oder überhaupt nicht mehr aufnehmen können, verbleibt er im Blut. Um diesen Überschuss loszuwerden, produziert die Niere vermehrt Harn. „Betroffene müssen bis zu sechs Liter Wasser am Tag lassen. Aufgrund von Infektionen ist das Harnlassen oft auch noch mit einem schmerzhaften Brennen verbunden“, weiß Diabetologe Franz. Der vermehrte Harndrang bedingt wiederum ein quälendes Durstgefühl, da der Körper einen extremen Wasserverlust erleidet. Da sie dabei viel trinken, denken Erkrankte oft, es sei völlig normal, so oft auf die Toilette zu müssen. In Wirklichkeit ist es aber genau andersherum: „Sie haben so einen großen Durst, weil sie extrem viel Wasser verlieren“, erklärt der Chefarzt.
Eine Konsequenz des vermehrten Wasserlassens ist, dass der Körper langsam austrocknet. Dieses macht sich beispielsweise durch trockene, rissige und schuppige Haut sowie Juckreiz bemerkbar. Zudem reduziert sich die Fließgeschwindigkeit des Bluts – es kommt zu Durchblutungsstörungen. Diese Störungen verbunden mit hohem Zuckergehalt im Blut sowie trockener Haut und Schleimhaut können wiederum dazu führen, dass sich leicht Infektionen bilden. Auch schlecht heilende Wunden können ein Anzeichen für Diabetes sein. „Der hohe Zuckergehalt im Blut bewirkt, dass sich Bakterien in der Wunde besonders wohlfühlen – das birgt eine große Infektionsgefahr“, sagt der Diabetologe. Und schließlich können schlecht heilende Wunden an den Beinen in Folge zum diabetischen Fußsyndrom und sogar zur Amputation führen.
Doch zeigen sich auch andere Infektionen wie Magen-Darm-, Harnwegs- und grippale Infekte sowie Zahnfleischentzündungen bei Menschen mit „Zucker“ häufig. Denn auch das Immunsystem ist durch die schlechte Durchblutung geschwächt. Denn die Abwehrzellen des Immunsystems können nicht schnell genug an die infizierte Stelle im Körper transportiert werden.
„Alternative Energien“
Oftmals kommt es bei Diabetikern zu einem massiven Gewichtsverlust, obwohl sie nicht weniger gegessen oder mehr Sport getrieben haben. Ursache dafür ist, dass die Körperzellen ohne Insulin keinen Zucker aufnehmen und verbrennen können, um die Energie zu produzieren, die der Mensch zum Leben braucht. Deshalb sucht der Körper nach alternativen Energiequellen; er beginnt damit, Fett, Eiweiß und Muskelmasse zu verbrennen.
„Er greift auf seine Fettreserven zurück und zerteilt sie zur Energiegewinnung bis zur Stufe der Ketonkörper, die er nicht weiter abbauen kann“, erklärt der Chefarzt. Durch den Ketonen-Überschuss kommt es zu einer Übersäuerung des Bluts und schließlich des gesamten Körpers. Diese Übersäuerung macht sich nach außen zum Beispiel durch einen säuerlichen Mundgeruch bemerkbar, der an Nagellackentferner (Aceton) erinnert. Auch der Urin kann streng riechen. Auch die Symptome Übelkeit und Erbrechen sind eine Folge der Übersäuerung des Körpers.
Der ungenutzte Zucker zirkuliert dann im Blut – in den Zellen kommt es dadurch nach und nach zu einer immer größeren Energiearmut. Das Resultat: Die Betroffenen fühlen sich schlapp, abgeschlagen und ausgebrannt.
Rasches Handeln erforderlich
Sobald sich erste Symptome wie plötzliches Durstgefühl, übermäßiger Harndrang, Abgeschlagenheit und scheinbar grundlose Gewichtsabnahme zeigen, sollte der Betroffene sicherheitshalber einen Arzt aufsuchen und sich auf Diabetes testen lassen. Der Mediziner wird dann zunächst den Nüchternzucker im Blut des Patienten messen. Ist dieser beim ersten Test erhöht, wird der Arzt zusätzlich noch einen Zuckerbelastungstest durchführen, auch oraler Glukosetoleranz-Test genannt. Dabei muss der Patient auf nüchternen Magen in etwa fünf Minuten eine Zuckerlösung trinken. Kurz davor sowie eine und zwei Stunden danach misst der Arzt den Blutzucker des Patienten und bewertet ihn. Stellt der Arzt durch die Untersuchung tatsächlich einen Diabetes fest, muss der Patient zwar zukünftig mit gewissen Einschränkungen rechnen.
Dr. med. Heinrich Franz: „Ein einzelner Blutzuckerwert hat nur wenig Aussagekraft. Wichtiger ist es den Blutzuckerverlauf über einen ganzen Tag hinweg, in einem so genannten Blutzuckertagesprofil, zu bestimmen.“ Daher empfiehlt der Diabetologe, neben den Nüchternmessungen auch eine Messung leicht zeitversetzt nach einer Mahlzeit durchzuführen.
„Das Ende eines ausgefüllten Lebens bedeutet die Diagnose jedoch nicht“, sagt der Mediziner. „Wird der Diabetes rechtzeitig erkannt und richtig behandelt und richtet sich der Erkrankte im Alltag nach gewissen Regeln, lassen sich lebensbedrohliche Folgeschäden wie Nierenversagen, Herzinfarkt oder Schlaganfall effektiv verhindern.
Auslagerung
Schwangerschaftsdiabetes
Diabetes in der Schwangerschaft? Was ist das eigentlich? „Einfach ausgedrückt versteht man unter Schwangerschaftsdiabetes eine Störung, bei der es zu erhöhten Blutzuckerwerten bei werdenden Müttern kommt“, erklärt Dr. med. Badrig Melekian, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Marien-Krankenhaus. In den meisten Fällen verschwindet diese Erkrankung unmittelbar nach der Geburt wieder. Circa fünf bis zehn Prozent aller Schwangeren sind von hiervon betroffen. Der Frauenarzt ist sich jedoch sicher, dass diese spezielle Art von Diabetes „mit Sicherheit unterdiagnostiziert ist.“ Immerhin zähle die Blutzuckerstörung zu den häufigsten Erkrankungen während der Schwangerschaft. Glücklicherweise könnten Ärzte jedoch Schwangerschaftsdiabetes sehr gut therapieren. Nur in etwa 30 Prozent aller Fälle muss eine Insulintherapie begonnen werden. Meistens behebt bereits eine Ernährungsumstellung oder eine entsprechende Diät den Diabetes.
Autor. Christian Kreuzberg
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