Die steigende Lebenserwartung spiegelt auch in Deutschlands Krankenhäusern. Sie müssen sich darauf einstellen, dass 2030 bereits zwei Drittel der Patienten über 60 Jahre alt sein werden. Heute ist es etwa die Hälfte der Patienten. Die Zahl der Hochbetagten über 80 Jahre wird sich in 15 Jahren von vier Millionen auf zehn Millionen mehr als verdoppelt haben. Damit steigt auch der Bedarf für geriatrische Behandlungsangebote.
Die Geriatrie bildet eine Nahtstelle, in der die Kompetenzen unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen zusammenkommen und gebündelt werden. Im Siegerland soll dies durch den Geriatrieverbund erreicht werden, zudem sich die Kliniken der Region verpflichtet haben. Hat sich beispielsweise ein älterer Patient mit dem gefürchteten Schenkelhalsbruch verletzt, dann wird er vom Unfallchirurgen behandelt und zugleich von einem Geriater – und das möglichst nahtlos.
Gerade die veränderte Physiologie im Alter mit regelmäßig parallel vorliegenden Erkrankungen und den damit verbunden Behandlungen mit vielen Medikamenten, die gelegentlich auch Wechselwirkungen entfalten können, sind enorme Herausforderungen. Aber auch die unfallchirurgische Versorgung hat ihre eigenen Tücken, gerade bei Hochbetagten. Die Kliniken der Region sind davon überzeugt, dass dies nur mit einem interdisziplinären Konzepten wie im geplanten Geriatrieverbund gelingt.
Wie komplex die Behandlung älterer Menschen sein kann, zeigt sich an einfachen Beispielen. Wenn ein Patient wegen Herzinfarkt oder Schlaganfall den Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure erhält, steigt das Risiko einer Magenblutung gegenüber jüngeren Menschen immens an. Erhält der Patient dann noch ein Präparat, das die Magenschleimhaut schützt, müssen dessen unerwünschte Effekte und mögliche Wechselwirkungen bedacht werden. Und oftmals gilt es auch den Patienten selbst und seine Angehörigen zu überzeugen, warum plötzlich mehrere neue Medikamente notwendig sind.
Die Zahl der Krankenhausfälle je 1000 Einwohner ist eng mit dem Alter verknüpft: Kommen auf die 50- bis 60jährigen etwa 200 Klinikbehandlungen pro Jahr, sind es im Alter zwischen 80 und 90 sogar 600. Bei Männern ist dieser Anstieg dazwischen sogar noch steiler ausgeprägt als bei Frauen. Der Grund besteht darin, dass Frauen im hohen Lebensalter die Mehrheit der Patienten stellen, da viele Männer durchschnittlich früher versterben. Stürze stellen hierbei ein besonderes Risiko für ältere Menschen dar. Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel aller über 65-Jährigen und sogar jeder zweite 80-Jährige mindestens einmal pro Jahr stürzt. Eine typische und zudem sehr bedrohliche Gefahr sind Schenkelhalsfrakturen. Etwa 160.000 Menschen erleiden jährlich eine solche Verletzung – insbesondere Frauen sind hiervon betroffen – und der Trend ist ungebrochen. Nach einem solchen Bruch sind die Patienten regelmäßig pflegebedürftig und leiden an psychischen Erkrankungen. Auch das Risiko, hieran zu versterben, ist stark ausgeprägt – nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie trifft dies für jeden dritten bis vierten Patienten über 85 Jahre mit hüftgelenksnaher Fraktur innerhalb eines Jahres zu. Entsprechend wichtig ist eine rechtzeitige und kompetente Diagnostik und Therapie.
Text: Christian Kreuzberg
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