Frauen lassen sich nicht so schnell wie Männer auf ein sexuelles Abenteuer ein – dieser bekannte Sachverhalt gilt zwar nach wie vor, allerdings nicht in jedem Fall. Wie Psychologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) herausgefunden haben, sind Männer auch heute noch viel eher bereit als Frauen, der Einladung zu einer kurzen sexuellen Begegnung zu folgen. Es gibt jedoch Ausnahmen von der Regel, die offenbar stark mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl in Zusammenhang stehen. Schafft man nämlich eine Umgebung, in der sich Frauen sicher fühlen, stimmen sie einem unverbindlichen sexuellen Treffen fast genauso oft zu wie Männer. Die Ergebnisse basieren auf einer zweigeteilten Studie mit insgesamt 327 Probanden.
Ende der 1980er-Jahre wurde erstmals eine Feldstudie publiziert, die das Sexualverhalten von Studentinnen und Studenten auf einem US-Campus untersucht hatte und deren Ergebnisse großes Aufsehen erregten: Während Männer in zwei Drittel der Fälle sexuelle Einladungen von Frauen annahmen, lehnten Frauen entsprechende Vorschläge von Männern komplett ab. Ging es nur um eine einfache Verabredung, beispielsweise zum Kaffeetrinken, war die Zustimmung von Männern und Frauen annähernd gleich groß.
Seit dieser Veröffentlichung reißen die Diskussionen nicht ab, zumal weitere Studien trotz zunehmender Aids-Problematik den Befund bestätigten. Die Mainzer Psychologen vermuteten daher, dass in der Vergangenheit wichtige Einflussfaktoren übersehen wurden. Insbesondere, so die Hypothese, dürfte die subjektiv empfundene physische wie psychische Sicherheit eine entscheidende Rolle spielen.
Andreas Baranowski vom Psychologischen Institut der JGU hat vor diesem Hintergrund zwei Fragen untersucht: Macht es einen Unterschied, wenn die Aufforderung zu einer intimen Begegnung in einer Umgebung erfolgt, in der der soziale Druck kleiner und ein solches Ansinnen nicht so ungewöhnlich ist? Und kann das subjektiv empfundene Risiko, das für Männer generell geringer ist, derart manipuliert werden, dass bekannte Geschlechterunterschiede verschwinden?
Ich mache so etwas normalerweise nicht, aber hast Du Lust auf Sex mit mir?“
Mit einer Standardfrage „Ich mache so etwas normalerweise nicht, aber hast Du Lust auf Sex mit mir?“ gingen 14 Studierende der Psychologie über den Campus der JGU oder durch Clubs und Bars und sprachen insgesamt 127 Frauen und Männer an. Mit einer Ausnahme haben sämtliche Frauen abgelehnt, wogegen 50 Prozent der Männer in Clubs und 14 Prozent auf dem Campus der Einladung gefolgt wären. Bei Männern ohne feste Beziehung fiel die Zustimmung noch höher aus. Die Kontrollfrage „Ich mache so etwas normalerweise nicht, aber hättest du Lust, mit mir mal einen Kaffee trinken zu gehen?“ wurde an insgesamt 140 Frauen und Männer in der gleichen Umgebung gerichtet und zeigte, wie erwartet, ebenfalls einen Geschlechterunterschied, aber bei Weitem nicht in demselben Ausmaß.
Eine deutliche Übereinstimmung zwischen den Geschlechtern ergab sich hingegen im zweiten Studienteil. Den Testpersonen wurde hier eine ausgeklügelte Geschichte erzählt, sodass sie sicher sein konnten, im Falle einer Verabredung oder einer sexuellen Begegnung keinen psychischen oder körperlichen Gefahren ausgesetzt zu sein. Die Ergebnisse bei den 30 männlichen und 30 weiblichen Probanden dieses Studienteils sind bemerkenswert: 100 Prozent der Männer haben zugestimmt, sich zum Sex mit mindestens einer der Frauen, die sie auf einem Foto sehen konnten, zu treffen – die Zustimmungsrate bei den Frauen lag mit 97 Prozent nahezu genauso hoch.
„Wir haben unter den veränderten Bedingungen eine Annäherung zwischen den Geschlechtern erwartet. Damit, dass diese so stark ausfallen würde, haben wir nicht gerechnet. Die starke Ablehnung einer sexuellen Einladung bei Frauen verliert sich, wenn wir eine sichere Umgebung anbieten“, sagt Andreas Baranowski. Allerdings wendet Baranowski ein, dass in dieser Studie ausschließlich Singles getestet wurden, die gerade auf der Suche nach einem Partner waren. Baranowski vermutet, dass Geschlechterunterschiede stark durch das soziale, gesellschaftliche und kulturelle Umfeld geprägt und eben nicht nur biologisch bedingt sind. Sobald der soziale Druck entfällt, nehmen die Geschlechterunterschiede ab. „Männer wollen immer Sex und Frauen wollen nie Sex – so einfach kann man das nicht sagen. Die Strategien sind wesentlich flexibler als allgemein angenommen“, so Baranowski.
Während die Studie Faktoren wie die Einschätzung der sexuellen Fähigkeit des Gegenübers oder dessen Attraktivität einbezogen hat, bleiben auf dem Gebiet noch viele Fragen offen. Durch die relativ kleine Stichprobe und den engen Kreis – Studienteilnehmer waren ausnahmslos junge, weiße, heterosexuelle Europäer – blieben andere Faktoren wie sexuelle Orientierung, kulturelle und soziale Diversität und Sexualität im Alter unberücksichtigt – eine Aufgabe für weitere Studien.
Quelle:
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)