Wie oft sind wir schon in der Tempo-30-Zone, selbst vor Schulen, schneller als erlaubt gefahren? Eine Frage, die wir uns zum Ende der großen Ferien erneut stellen dürfen. 40, 50 Stundenkilometer, kein Problem? Die GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung hat nachgerechnet und ist zu einem für viele sicherlich verblüffenden und zugleich erschreckenden Ergebnis gekommen.
Zunächst die Situation mit ordnungsgemäßem Tempo 30: Sie fahren auf eine Gruppe von Schulkindern zu. Der Asphalt ist trocken und griffig. Plötzlich schubst ein Junge seinen Kumpel. Der stolpert 13 Meter vor Ihnen auf die Straße. Sie bremsen voll. Was passiert? Vermutlich nichts. Denn Sie kommen bei optimalen Bedingungen rund einen halben Meter vor dem Kind zum Stillstand. Kaum zu glauben, was geschehen wäre, wenn Sie in der gleichen Situation mit Tempo 50 gefahren wären? Sie hätten das Kind ungebremst mit der Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h erfasst und möglicherweise totgefahren. Denn bei so hohen Aufprallgeschwindigkeiten stehen die Chancen als Fußgänger zu überleben ungefähr 50 zu 50.
Wie ist das möglich? 0,7 Sekunden sind für die Reaktionszeit eines aufmerksamen Autofahrers zu veranschlagen und nochmal rund 0,3 Sekunden für den Tritt aufs Bremspedal bis zum vollen Aufbau der Bremswirkung. In dieser Zeit legt das Fahrzeug bei Tempo 50 pro Sekunde nahezu ungebremst knapp 14 Meter zurück. Also deutlich mehr als die im Beispiel genannten 13 Meter. Klare Ansage der GTÜ-Experten: Wer in Tempo-30-Zonen mit Innerortsgeschwindigkeit von 50 km/h fährt, hat häufig keine Chance, auf unvorhergesehene Situationen angemessen zu reagieren.
Und was geschieht, wenn man in dem geschilderten Beispiel nur ein bisschen schneller fährt, vielleicht 40 statt 30 km/h? Dann sind bei einer Sekunde Reaktionszeit für Mensch und Maschine bei Tempo 40 zwar erst gut 11 Meter ungebremst zurückgelegt. Aber reichen bei 13 Meter Gesamtstrecke bis zum Kollisionspunkt die verbleibenden zwei Meter um von 40 km/h zum Stillstand zu kommen? Nein, sie reichen nicht. Obwohl die GTÜ-Fachleute mit einer für einen modernen Pkw sehr ordentlichen Bremsverzögerung von 8 m/s² rechnen, benötigt das Fahrzeug bis zum Stillstand nochmals gut siebeneinhalb Meter. Macht zusammen mit dem Reaktionsweg mehr als achtzehneinhalb Meter. Das sind im genannten Beispiel somit gut fünfeinhalb Meter zuviel. Was bedeutet das für die Kollisionsgeschwindigkeit, mit der in unserem Fall das Schulkind erfasst würde? Es sind fast 35 km/h! Die Folgen wären zumindest schwerste Verletzungen. Nach gleicher Rechnung sind übrigens auch Tempo 31 immer noch 1 km/h zuviel, weil die Kollisionsgeschwindigkeit am Punkt des Aufpralls noch knapp 2 km/h beträgt. Hätten Sie das gedacht?
Ohnehin verweisen die Experten der GTÜ darauf, dass Bremswege unter ungünstigen Bedingungen auch deutlich länger ausfallen können. Tests der GTÜ belegen: Fahrbahnnässe, qualitativ schlechte Sommerreifen, selbst Allwetterreifen oder gar Winterreifen im Sommer sorgen für deutlich schlechtere Bremsverzögerungen und dementsprechend längere Bremswege. Das verschärft die geschilderte Problematik natürlich. Die GTÜ rät daher: Runter vom Gas vor Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die korrekte Geschwindigkeit ist ein Muss. Nicht nur in Tempo-30-Zonen, aber dort ganz besonders.
Quelle/Fotos: dpp