Erstes „Gynäkologisch-Onkologisches Symposium“ im Diakonie Klinikum
Siegen. Gebärmutterhalskrebs, Eierstockkrebs oder Brustkrebs – wenn es um die gynäkologischen Krebserkrankungen der Frau geht, schreiten der Wissenszuwachs und die Möglichkeiten der Therapie unaufhörlich voran. Beim ersten „Gynäkologisch-Onkologischen Symposium“ im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen haben sich interne und externe Experten über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten der wichtigsten Krebserkrankungen der Frau ausgetauscht. Rund 60 Teilnehmer, darunter Ärzte aus Klinik und Praxis sowie Fachpersonal aus dem Pflege- und OP-Bereich, informierten sich bei Fachvorträgen, an Informationsständen und nutzten die Gelegenheit, sich den Operationsroboter Da Vinci anzuschauen.
In der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie unter der Leitung von Chefarzt und Privatdozent Dr. Marco Battista bilden die Krebserkrankungen der Frau einen Schwerpunkt. Die Klinik teilt sich in das Fachgebiet Erkrankungen des Beckens, welches von der leitenden Oberärztin Dr. Katharina Gillen verantwortet wird, und in Erkrankungen der Brust, welches von der leitenden Oberärztin Vesselina Arnaudov geleitet wird. Vier weitere Oberärzte und zwei Kooperationsärzte kümmern sich in den beiden Sektionen im Diakonie Klinikum Jung-Stilling jährlich um mehr als 450 Patientinnen mit neu festgestellten Krebserkrankungen. Neben der Onkologie rücken aber auch gutartige Erkrankungen der Geschlechtsorgane wie die Endometriose und Myome in den Vordergrund. Mit Dr. Battista, der seit dem Jahreswechsel neuer Chefarzt der Abteilung ist, kamen auch die Oberärzte Dr. Katharina Gillen und Dr. Amine Hedri von Mainz nach Siegen. Beide sind ausgewiesene Experten der endoskopischen Chirurgie und können laparoskopisch sowie robotisch sämtliche gynäkologische Operationen sicher und schonend durchführen. Chefarzt Dr. Marco Battista: „Unser Ziel ist es, dass Patientinnen aus der Region hier im Diakonie Klinikum Jung-Stilling gemeinsam mit unseren wichtigen Nachbardisziplinen wie der Anästhesie- und Intensivmedizin, der Allgemeinchirurgie sowie der Urologie auf überregionalem Spitzenniveau versorgt werden können und nicht mehr weit in große Zentren am Rhein oder Main fahren müssen.“
Anhand zweier Fallberichte von Brustkrebspatientinnen stellte Vesselina Arnaudov, leitende Oberärztin der Sektion Senologie im Diakonie Klinikum Jung-Stilling, die Herausforderungen des Alltags dar. Um erfolgreich und zielgerichtet therapieren zu können, sind Teamarbeit und ein gutes Zusammenspiel aus guter Diagnostik, effektiver Systemtherapie und Operation wichtig. Dabei würden auch die Verzahnung mit der genetischen Beratung und der Beratung über den Kinderwunsch junger Patientinnen zunehmend in den Fokus rücken.
Welche Bedeutung das körperliche Erscheinungsbild für Frauen hat, die eine Brustkrebserkrankung überleben, daran erinnerte Dr. Daniela Rezek, Chefärztin der Klinik für Senologie und Ästhetische Chirurgie im Ev. Krankenhaus Wesel, in ihrem Vortrag. Eine Amputation oder Operationsnarben erinnern Patientinnen ihr Leben lang an ihre Krankheit. Die Expertin für rekonstruktive Brustchirurgie zeigte exemplarisch verschiedene Methoden des Wiederaufbaus, die auch die wichtige Nachsorge im Blick haben sollten.
Beim sogenannten Endometriumkarzinom entarten die Schleimhautzellen im Inneren der Gebärmutter. Es handelt sich dabei um die häufigste Krebserkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane. Wird die Krankheit früh entdeckt, haben Frauen eine gute Prognose. Über die Immunonkologie als eine relativ neue Behandlungsmöglichkeit und großen Hoffnungsträger in der Krebstherapie sprach Prof. Dr. Alexander Mustea, Leiter der Frauenheilkunde und Gynäkologischen Onkologie am Universitätsklinikum Bonn. Die Immunonkologie zielt darauf ab, das körpereigene Immunsystem zur Abwehr von Tumoren zu nutzen und es in die Lage zu versetzen, Krebszellen zu erkennen und aktiv zu bekämpfen.
Während das Endometriumkarzinom im Inneren der Gebärmutter entsteht, bildet sich beim Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) ein Tumor am unteren Ausgang der Gebärmutter. Die entscheidenden Neuerungen in der Therapie stellte Chefarzt Dr. Marco Battista dar. „In frühen Stadien reicht mittlerweile eine einfache Gebärmutterentfernung. In den fortgeschrittenen Stadien werden dahingehend die medikamentösen Therapiemöglichkeiten vielfältiger“, sagte Dr. Battista. Bei fortgeschrittenen Tumoren erhalten Frauen in der Regel eine Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie. Beispielsweise kann durch eine Induktionstherapie, bei der zwei Zytostatika hochdosiert verabreicht werden, die Effektivität der Radiochemotherapie deutlich verbessert werden.“
Der Eierstockkrebs, das sogenannte Ovarialkarzinom, gehört zu den aggressivsten Tumoren und ist die zweithäufigste bösartige Erkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane. Weil der Krebs lange keine Beschwerden verursacht, wird er zum Nachteil der Patientinnen häufig erst in einem späten Stadium entdeckt. Dr. Katharina Gillen sprach in ihrem Vortrag über die besondere Bedeutung der operativen Vorbereitung bei Eierstockkrebs. In der Vergangenheit wurde, so Dr. Gillen, das Augenmerk auf eine sehr radikale Tumorchirurgie gelegt, welches die Patientinnen stark belastet und vor allem bei älteren Patientinnen zu vermehrten relevanten Komplikationen führt. „Mittlerweile, das zeigen eigene Forschungsergebnisse, ist es entscheidend unter den Patientinnen diejenigen zu identifizieren, die diese oftmals sechs- bis achtstündigen Operationen gut verkraften, um eine Untertherapie zu vermeiden.“ Patientinnen, älter als 60 Jahre, werden im Diakonie Klinikum Jung-Stilling hinsichtlich ihrer körperlichen Robustheit untersucht und auf die Eingriffe vorbereitet. So erhalten sie bereits vor der Operation Physiotherapie, Ernährungsberatung und eine individuelle Therapieplanung.
Prof. Dr. Marcus Schmidt, Leiter der Abteilung Konservative und Molekulare Gynäkologische Onkologie bei der Universitätsmedizin Mainz, stellte in seinem Vortrag die medikamentöse Therapie bei fortgeschrittenem Brustkrebs dar. Laut Mediziner habe sich die Überlebenszeit der Frauen bei metastasiertem Brustkrebs im Vergleich zur Jahrtausendwende um einige Jahre verbessert. Verantwortlich seien die enormen Fortschritte in der medikamentösen Therapie.
Abgerundet wurde die Vortragsreihe von einer Ausstellung. Unter dem Motto „Hands on am Da Vinci-Roboter“ durften die Teilnehmer an einem Simulationsmodell des Operationsroboters selbst einmal in die Rolle des Operateurs schlüpfen. Die hochmoderne Technologie wird im Diakonie Klinikum Jung-Stilling bereits in den Abteilungen Gynäkologie, Urologie und Allgemeinchirurgie erfolgreich eingesetzt. Der Operationsroboter ermöglicht schonende und präzise Eingriffe zur Entfernung der Gebärmutter und Myomen sowie der Therapie bei Endometriose.
Über die Möglichkeiten der robotischen Chirurgie sprach auch Prof. Dr. Michael Eichbaum, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Leiter des gynäkologischen Krebs- und Brustzentrums bei den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. Dabei referierte er auch über den Aspekt der Auswahl der Patientinnen vor dem Hintergrund des sehr aufwendigen Verfahrens. Klassische und unkomplizierte gynäkologische Operationen können, so der Mediziner, genauso gut mit der 3D-Bauspiegelung versorgt werden. Komplizierte Eingriffe könnten robotisch gestützt deutlich schonender, effektiver und schneller behandelt werden.
Dr. Hans Jürgen Bickmann (Vorsitzender des Bezirksvorstands des Berufsverbandes der Frauenärzte), Chefarzt Dr. Jürgen Schwickerath, (St.-Martinus-Hospital Olpe), Chefarzt Dr. Badrig Melekian (St. Marien Krankenhaus Siegen) sowie die Kooperationsärzte Dr. Volker Jung und Dr. Osama Shamia (Leitung Urogynäkologie, Jung-Stilling) moderierten die Veranstaltung. Sie befragten die Referenten zu ihren persönlichen Erfahrungen und Meinungen, fassten die Vorträge für die Zuhörer zusammen und stießen rege Diskussionen über den zukünftigen Stellenwert von künstlicher Intelligenz im Rahmen von Therapieentscheidungen an. „Es war ein rundum moderner Fortbildungstag am Jung-Stilling, der neue Impulse setzte und den Weg in eine individuelle Krebstherapie auf Spitzenniveau aufzeigte“, fasste Dr. Battista den Tag zusammen.
Quelle/Foto: Diakonie Südwest