Ein Anstieg des Körpergewichts muss nicht immer auf einer zu kalorienreichen Ernährung oder zu wenig Bewegung beruhen. Auch das Herz kann an einer Gewichtszunahme schuld sein, wie die folgende Antwort aus der Herzstiftungs-Sprechstunde unterstreicht.
Die Sprechstunden-Frage im Wortlaut:
Ich hatte im März 2012 einen Vorderwandinfarkt. Es wurde ein Stent implantiert. Ich habe nun eine Herzschwäche mit einer verbliebenen LV-Funktion (EF) von noch 30 % zurückbehalten. Außerdem: paroxysmales Vorhofflimmern / atypisches Vorhofflattern.
„Ich habe Probleme mein Gewicht zu halten“
Im Januar 2014 wurde mir ein Defi (ICD) mit Schrittmacherfunktion implantiert. Seit kurzem habe ich Probleme mein Gewicht zu halten, trotz gewohnter Essensweise. Ich habe das Gefühl einen dicken Bauch zu haben. Mein Trinken habe ich schon reduziert auf ca. 1 Liter pro Tag. Wenn ich mal mehr trinke, merke ich das gleich morgens beim Wiegen.
Ich habe beim Hausarzt nachgefragt, aber er sagte, ich habe kein Wasser. Ich mache mir Sorgen, da ein Kumpel von mir verstorben ist, der auch Wasser hatte und seine Nieren waren kaputt. Was kann ich tun, um auf der sicheren Seite zu sein? Welche Untersuchungen sind zu empfehlen? (Günter F., Bad Kreuznach)
Die Experten-Antwort:
Vielen Dank für diese wichtige Frage zum Thema Wassereinlagerungen und Körpergewicht.
Für eine Gewichtszunahme kann in der Tat das Herz verantwortlich sein. Denn tritt bei einer Herzerkrankung eine Schwächung des Herzmuskels auf, wie dies z. B. nicht selten im Laufe der Zeit bei einer koronaren Herzkrankheit, einem Herzinfarkt oder Bluthochdruck der Fall ist, kommt es oft zu Wassereinlagerungen im Körper und einer entsprechenden Gewichtszunahme.
Die Wassereinlagerungen (= Ödeme) entstehen dabei u. a., weil das zum Herz zurückfließende Blut von dem geschwächten Herzmuskel nicht mehr ausreichend weitergepumpt wird und sich daraufhin ein Rückstau vor dem Herz bildet. Der Rückstau des Blutes kann dann bis in den Bauch oder die Füße zurückreichen und dort den Druck in den kleinen Adern erhöhen, woraufhin mehr Flüssigkeit aus dem Blut in das dortige Gewebe abgepresst wird und Wassereinlagerungen entstehen.
Bei Wassereinlagerungen Medikamente überprüfen!
Werden Wassereinlagerungen nicht erkannt und die Gewichtszunahme fälschlicherweise auf die Ernährung geschoben, kann dies fatale Folgen haben. Denn steckt tatsächlich eine nachlassende Pumpkraft des Herzens dahinter, ist es in vielen Fällen wichtig, die momentan eingenommenen Medikamente zu überprüfen und ggf. etwas anzupassen. Auf diese Weise lassen sich die Wassereinlagerungen meist schnell wieder ausschwemmen und oft weitere Verschlechterungen der Herzfunktion vermeiden.
Ab welcher Gewichtszunahme hellhörig werden?
Damit Wassereinlagerungen möglichst früh entdeckt werden, empfiehlt die Deutsche Herzstiftung bereits seit langem allen Menschen mit einer Herzschwäche, sich nach Möglichkeit täglich zu wiegen. Ab welcher Gewichtszunahme man hellhörig werden sollte, lässt sich nicht pauschal sagen, da die normalen Schwankungen des Körpergewichts von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sind. Manche Experten empfehlen ihren Herzpatienten bereits ab 0,5 kg an Wassereinlagerungen zu denken, was durchaus sinnvoll sein kann, wenn ein Betroffener schon länger sehr sorgfältig mit seiner Krankheit umgeht.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei vielen Menschen die natürlichen Körpergewichts-Schwankungen deutlich über 0,5 kg hinausgehen und es somit je nach Ausgangsgewicht oft erst bei Werten über einem Kilogramm oder noch mehr sinnvoll ist, den Verdacht auf Wassereinlagerungen zu lenken. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) verweist in ihren Leitlinien z. B. auf einen Wert von 2 kg in 3 Tagen. Tipp: Wer sich regelmäßig wiegt, bekommt meist schnell von allein ein gutes Gefühl, welche Gewichtsschwankungen bei einem persönlich normal sind und welche Werte aus dem Rahmen fallen bzw. auf Wassereinlagerungen hindeuten.
Wichtig: Auf diese drei Dinge beim Wiegen achten
Um Wassereinlagerungen möglichst zuverlässig zu erkennen, sollte man beim Wiegen Folgendes beachten:
1. Wegen der natürlichen Schwankungen des Körpergewichts im Tagesverlauf ist es wichtig, sich immer zum gleichen Tageszeitpunkt zu wiegen. Sinnvoll ist das Wiegen z. B. direkt nach der Morgentoilette, ehe man etwas getrunken oder gegessen hat und noch nicht angezogen ist.
2. Des Weiteren sollte man von Zeit zu Zeit überprüfen, ob die verwendete Waage noch ausreichend genau ist, z. B. indem man sich mit zwei Kilopaketen Mehl auf die Waage stellt und anschließend noch einmal ohne.
3. Bei einigen Waagen ist zudem zu berücksichtigen, dass je nach Fußboden-Gegebenheiten unterschiedliche Werte zustande kommen, was z. B. zu Problemen führen kann, wenn man die Waage fürs Wiegen jedes Mal unter dem Schrank hervorzieht und dann nicht immer an exakt derselben Stelle platziert. Optimal ist ein fester Platz, an dem die Waage dauerhaft stehenbleiben kann.
Welche Untersuchungen erwarten einen beim Arzt?
Um bei Wassereinlagerungen die Pumpleistung des Herzens zu beurteilen und eventuelle Verschlechterungen der Herzfunktion zu erkennen, ist in vielen Fällen eine Echokardiographie (= Ultraschall-Untersuchung des Herzens) zu empfehlen. Die Untersuchung ist schmerzfrei und es kommt keine schädliche Röntgen-Strahlung zum Einsatz. Ein Problem ist allerdings, dass man für eine Echokardiographie, die typischerweise nur von Kardiologen bzw. von anderen auf Herzerkrankungen spezialisierten Ärzten durchgeführt wird, oft lange auf einen Termin warten muss.
Fazit & Empfehlungen:
1. Kommt es bei einer Herzerkrankung zu einer Gewichtszunahme, die sich nicht mit vermehrtem Essen oder weniger Bewegung erklären lässt, ist unbedingt an Wassereinlagerungen zu denken. Möglicherweise steckt eine Verringerung der Pumpfunktion des Herzens dahinter, was auf keinen Fall verharmlost werden darf und ärztlich abgeklärt werden sollte.
2. Damit es möglichst erst gar nicht zu einer Verschlechterung der Pumpleistung des Herzens und unangenehmen Wassereinlagerungen kommt, sollte man großen Wert darauf legen, dass die häufigsten Herzschwäche-Ursachen (Bluthochdruck und KHK/Herzinfarkt) optimal behandelt werden.
Quelle/Foto: Deutsche Herzstiftung /Foto Waage: © okolaa – Fotolia.com