Es ist inzwischen ein häufig gebrauchtes Schlagwort im Alltag, das aber eine durchaus längere Vergangenheit hat: der Burn-Out.
Ein Begriff im Spiegel der Zeit…
Literarisch wird das Phänomen des „Ausgebranntseins“ durch Graham Creene 1960 in seinem Roman „A Burnt-Out Case“ populär, der einen desillusionierten Architekten beschreibt, der seinen Beruf aufgibt, um im afrikanischen Dschungel zu leben. Eine wissenschaftliche Erstbeschreibung des „Burn-out-Syndroms“ erfolgte 1974 durch den New Yorker Psychologen Herbert Freudenberger (1927-1999), der als Psychotherapeut von 8.00 h bis 18.00 h in eigener Praxis tätig war und sich nach dem dortigen Arbeitsalltag bis 23.00 h ehrenamtlich in einer „Free Clinic“ für jugendliche Drogenabhängige in Spanish Harlem engagierte. Zum Tagesabschluss erfolgten dann noch Teambesprechungen fast um Mitternacht. Freudenberger schreibt über sich: „Je müder ich wurde, umso mehr trieb ich mich an.“
Herbert Freudenberger hat zwölf Phasen des Burn-out-Syndroms identifiziert, die nicht zwingend in der genannten Reihenfolge aufeinander folgen:
- Zwang, sich zu beweisen
- verstärkter Einsatz
- Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
- Verdrängung von Konflikten
- Umdeutung von Werten
- Verleugnung der auftretenden Probleme
- Rückzug
- offensichtliche Verhaltensänderungen
- Depersonalisierung
- innere Leere
- Depression
- völlige Burn-out-Erschöpfung
Nach primärer Anwendung des Begriffes auf Pflegeberufe und Mitarbeiter im Gesundheitsdienst wurde das Phänomen des Burn-outs im Laufe der Zeit zunächst auch bei Lehrenden, dann bei Politikern und Spitzensportlern beschrieben, um schließlich einerseits generell in Arbeitsprozessen auf Management- und Führungsprobleme hinzuweisen.
Burn-out erscheint in den letzten Jahren zunehmend als gesellschaftliches Problem in den Medien und spielt eine gewichtige Rolle im betrieblichen Gesundheitsmanagement.
Burn-out als Volkserkrankung?
2011 erschien der Gesundheitsreport der DAK, der alarmierte: Die Krankenkasse stellte für das Jahr 2010 bei ihren Versicherten eine Zunahme der Krankheitstage wegen psychischer Leiden um 13,5 % fest, die somit ein Achtel der Arbeitsunfähigkeit bedingten. Verglichen mit dem Jahr 1998 wurde eine Verdoppelung der Fälle beschrieben. In der Folge fanden sich auf den Titelblättern der Magazine und in der Tagespresse Berichterstattung, die von einer Zunahme arbeitsplatzbedingter psychischer Erkrankungen sprach und Arbeitsplatzbedingungen, Tempo, Kommunikationsverdichtung. Erreichbarkeit, E-Mail-Flut und Multitasking in einer sich verdichtenden Leistungsgesellschaft als nicht mehr bewältigbar für das Individuum geißelte.
Burn-out aus medizinischer Sicht
Ende 2011 wies ein im Ärzteblatt unter dem Titel …Modediagnose Burn Out“ veröffentlichte Artikel auf die Problematik des Medienphänomens und dessen fehlender klarer medizinischer Definition und mangelnder Evidenz hin (Kaschka et al. 2011).Zwar hat es in den vergangenen Jahren Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen belastenden Arbeitsplatzbedingungen und Gesundheitsschäden gegeben. So gibt es deutliche Hinweise für eine erhöhte Gesamtmortalität und auch erhöhte kardiovaskuläre Mortalität in Betrieben, in denen es Druck durch Personalabbau gegeben hat. Ebenso sind sogenannte berufliche Gratifikationskrisen gut untersucht.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat 2012 ein Positionspapier zum Burn-out herausgegeben. In einer Stellungnahme vom November 2012 heißt es:
Burnout ist für sich genommen keine Krankheit aber ein Risikozustand für die psychische und physische Gesundheit und muss deshalb sehr ernst genommen und untersucht werden.‘ so Professor Wolfgang Maier. Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie. Psychotherapie und Nervenheilkunde (DCPPN).“
„Länger anhaltende Erschöpfungszustände erhöhen jedoch das Risiko, an einer Depression, Angst- oder Suchtstörung, Tinnitus oder Bluthochdruck zu erkranken. Burnoutähnliche Beschwerden wie verminderte Leistungsfähigkeit können aber auch andere Erkrankungen verdecken. Krankheitssymptome gilt es daher diagnostisch genau abzuklären, um rasch die richtige Therapie und Behandlung der Grunderkrankung zu gewährleisten. So kann Chronifizierung vorgebeugt und den Betroffenen zeitnah die Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglicht werden.“
„Nach Ansicht der DGPPN handelt es sich beim Burn-out primär um ein Problem der Arbeitswelt. Die Beratung und Unterstützung der Betroffenen sollte deshalb beim Arbeitgeber entsprechend koordiniert werden. Dies kann die Diagnostik bei einem Facharzt einschließen. Aus Sicht der Fachgesellschaft ist es jedoch zu kurzsichtig, einen stressbelasteten Arbeitnehmer in der Arztpraxis so zu behandeln, dass widrige Arbeitsbedingungen eine weitere Zeit zu ertragen werden ohne die Ursachen zu beseitigen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Betriebsärzten mit ihrer Kenntnis der Arbeitsstrukturen und Betriebsabläufe zu.“
Ebenso wird davor gewarnt, das Phänomen Burn-out als primäres Problem des Gesundheitssystems zu begreifen. Sozialpartner und Politik sind in der Verantwortung, der postulierten Überforderung einer steigenden Zahl von Berufstätigen mit negativen Konsequenzen für ihre psychische Gesundheit entgegenzuwirken.
Was und wer kann helfen?
Eine sorgfältige organmedizinische Ausschlussdiagnostik körperlicher Erkrankungen, die die letztlich unspezifischen Symptome vermuteter arbeitsassoziierter Gesundheitsstörungen verursachen können, ist unumgänglich. Gewarnt werden muss vor unkritischer Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit, die bestehende Angst vor dem Arbeitsplatz verstärken und in einer Spirale münden kann.
Die letztendlich präventive Betreuung von Menschen, die mit dem Risikosyndrom Burn-out vor dem Krankwerden zu schützen sind, liegt nach Auffassung in einer konzertierten Aktion vieler Beteiligter.
Die Rolle des psychiatrisch oder psychotherapeutisch tätigen Arztes oder des Allgemeinmediziners und somit auch die Rolle des Gesundheitssystems liegt hier in der Differenzialdiagnostik und dem Erkennen behandlungsbedürftiger psychischer Störungen oder gar körperlicher Erkrankungen und deren Therapie. Zumeist liegt bei den Erkrankungen, bei denen Betroffene oder Außenstehende ein Burn-Out vermuten eine schwere behandlungsbedürftige psychische Erkrankung, nämlich eine Depression vor. Diese wird häufig als Burn-Out bezeichnet, weil sich das weniger schlimm anhört, als Depression, weil man sich weniger schämen muss, der Begriff in unserer Leistungsgesellschaft akzeptabel ist und die Schwächen, die die psychiatrische Erkrankung mit sich bringt, „adelt“.
Wie genau sieht nun eine Therapie für Betroffene aus? Nachdem die Ärzte in den ersten Kontakten eine sorgfältige Diagnose gestellt haben, planen sie gemeinsam mit dem Patienten die auf die jeweilige Persönlichkeit zugeschnittene individuelle Therapie. Diese kann je nach Schwere der Erkrankung ambulant, teilstationär oder stationär erfolgen. Dazu steht ein interdisziplinäres Team in Einzel- und Gruppenarbeit unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des Patienten zur Verfügung. Dabei werden zwei große Säulen der Behandlung angewendet: Psychotherapeutische Inhalte und biologische Verfahren. Bei einer schweren Depression ist eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva unumgänglich. Diese sind im Gegensatz zu verbreiteten Vorbehalten weder süchtig machend noch persönlichkeitsverändernd. Weitere biologische Therapieverfahren, die am Kreisklinikum zum Einsatz kommen sind Lichttherapie, Wachtherapie sowie Elektrokonvulsionsbehandlung.
Folgende Begleittherapien finden neben biologischer Behandlung sowie individueller Psychotherapie u.a. in Siegen Anwendung:
Psychiatrische Pflege – Psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege befasst sich mit den Auswirkungen von Erkrankungen im Alltag unter besonderer Berücksichtigung des Beziehungsprozesses. Im Mittelpunkt der pflegerischen Tätigkeit stehen der Patient und seine persönlichen Anliegen. Angefangen über die Zuordnung von Bezugspersonen wird der Pflegeprozess eingeleitet und mündet in einem für jeden Patienten individuellen, gemeinsam zu erarbeitenden Pflegeplan. In der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege wird in 3 verschiedenen Sozialformen gearbeitet:
Bezugspflege – Einzelarbeit;
Kleingruppe – Soziotherapeutische Gruppen, Edukationsgruppen;
Großgruppen – Stationsversammlungen
Neben den allgemeinen Aufgaben befasst sich die psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege im Kern mit folgenden Aufgaben:
- Prävention, Edukation um Gesundheit zu erhalten, Krankheiten vorzubeugen
- Beratung und Anleitung im Lebenskontext
- Unterstützung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens
- Rehabilitative Maßnahmen
- Zusammenarbeit mit komplementären Einrichtungen
Ergotherapie – Ergotherapie ist ein medizinischer Fachberuf und versteht sich als ganzheitliche Therapieform. Ziel ist es erkrankte oder behinderte Menschen zu einer weitgehenden Selbständigkeit im Sinne einer Verbesserung der Lebensqualität zu führen. Hierzu verwenden Ergotherapeuten alltags- und handlungsorientierte Konzepte unter Einbeziehung von Therapiemitteln, die praktische Aktivitäten erfordern. Auf der Basis von medizinisch/psychologischen, sozialwissenschaftlichem und beruflich – rehabilitativen Wissen erstellen Ergotherapeuten Behandlungskonzepte.
Therapieformen (Ergotherapie wird in Einzel-, Gruppen- und Projektarbeit angeboten):
- Freies Gestalten
- Computergestütztes Hirnleistungstraining
- Seniorengruppe
- Werktherapie
- Ergotherapeutische Interaktionsgruppe
- Sensorische Integration
- Arbeitstherapie Druckerei
- Arbeitstherapie Garten
- Arbeitstherapie Lädchen Ideenreich
- MKT (Metakognitives Training)
- Einzeltherapie
- Alle Therapien werden auch ambulant angeboten.
Bewegungstherapie – sie ist eine ärztlich verordnete Maßnahme, die von Fachtherapeuten geplant und dosiert, gemeinsam mit dem Arzt abgesprochen in der Gruppe oder alleine in Einzeltherapie ausgeführt wird. Die Bewegung steht im Mittelpunkt sowie die individuelle Förderung der körperlichen und emotionalen Wahrnehmung und deren Zusammenhänge. Die sportlichen Angebote, wie Gymnastik, Spiele, Lauftraining, Nordic Walking sowie Körper- und Bewegungsbildungsübungen, sollen den Patienten helfen, wieder Freude an der Bewegung zu finden.
Musiktherapie – durch gezielten Einsatz von Musik wird in der Musiktherapie therapeutische Wirkung erzielt. Musiktherapie dient der Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung psychischer und körperlicher Gesundheit. Es gibt zwei Richtungen der Musiktherapie: In der rezeptiven Musiktherapie wird therapeutische Wirkung durch das Hören von Musik erzielt. In der aktiven Musiktherapie hingegen wird der Patient zum Musizieren motiviert und dadurch therapiert.
Tiergestützte Therapie/Stationshund – Hunde sind Profis in der Kontaktaufnahme mit Menschen und verhelfen Patienten somit zu einem direkten Zugang zu positiven Gefühlen und Ressourcen. Der Co – Therapeut auf vier Pfoten ermöglicht die Förderung der Kontaktfähigkeit, des Vertrauensaufbaus und der Beziehungsfähigkeit. Diese Erfahrungen verbessern das Selbstwertgefühl und haben eine heilsame Wirkung. Ein Hund verhilft Patienten spielerisch, leicht und unmittelbar zu diesen Erlebnissen.
Dr. Ullrich und seinem Team am Siegener Kreisklinikum sind zur Thematik grundsätzlich zwei Aspekte besonders wichtig.
- Wichtig ist, dass sich mögliche Betroffene frühzeitig mit ihrer persönlichen Situation auseinandersetzen und Warnzeichen ernst nehmen.
- Genauso wichtig ist die Offenheit, in einer Therapie einen Ansatz für eine Verbesserung der persönlichen Situation zu sehen.
Klar muss jedem aber auch sein, dass neben vielen Therapieformen durchaus auch die Veränderung von Einstellungen und Gewohnheiten zu einer erfolgreichen und langfristigen Bewältigung dieser Phasen gehören.
Kontakt und Infos unter:
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Kreisklinikum Siegen GmbH
Weidenauer Str. 76
57076 Siegen
Terminabsprache über das Sekretariat:
Rita Christen
Telefon: 0271 / 705-1901
Telefax: 0271 / 705-1994
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