Grenzsituationen erkennen – ethisch handeln

Glaube (Religion, Gott)

Wenn es bei der Behandlung von Patienten zu Grenzsituationen kommt, gibt es für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter im St. Marien-Krankenhaus Siegen seit zehn Jahren eine besondere Institution: das Ethik-Komitee. Es bringt, unterstützt im konkreten Fall durch Ethik-Konsile, die Entscheidungsträger miteinander ins Gespräch und erarbeitet mit ihnen Handlungsempfehlungen. Im Mai 2005 wurde hierfür das Gremium gegründet – das erste seiner Art in der Region Siegen-Wittgenstein.

„Es passt zu uns als katholisches Krankenhaus, den Patienten vollständig zu erfassen: körperlich, geistig und seelisch“, sagt Hubert Berschauer, Vorsitzender des Ethik-Komitees im St. Marien-Krankenhaus Siegen. Der Rechtsanwalt und Theologe freut sich über dessen zehnjährige Geschichte: „Das aus unserer Tätigkeit abgeleitete Angebot kann nicht über die Pflegesätze und Kostenträger finanziert werden. Dass wir dieses dennoch weiterentwickeln, ist ein Stück christliches Selbstverständnis, das ist ein Stück Caritas!“

Mit ethischen Fragestellungen waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des St. Marien-Krankenhauses Siegen sowie in den Wohn- und Pflegeeinrichtungen auch vor Gründung des Komitees häufig konfrontiert: Eine Patientin ist gestürzt. Sie hat schwerste Verletzungen erlitten und befindet sich auf der Intensivstation. Ihre Behandlungsaussichten sind nach ärztlicher Einschätzung schlecht. Äußern kann sie sich nicht. Eine Patientenverfügung existiert nicht. Welche medizinischen Maßnahmen sind jetzt sinnvoll? Verlängert die Behandlung ihr Leiden? Gibt sie ihr überhaupt die Chance, ihr Leben so weiterführen zu können, wie sie es für sich befürworten würde?

Im Gegensatz zu früher kann heute jeder ein vom Ethik-Komitee eingerichtetes Konsil anrufen. Hierin gehen Experten unterschiedlicher Professionen diesen und anderen Fragen nach. Das Komitee als übergreifende Institution hat hierzu die „Leitplanken“ im Krankenhaus sowie den Wohn- und Pflegeeinrichtungen festgelegt. „In einem Fall wie dem beschriebenen führen Experten Gespräche mit Angehörigen und dem Behandlungsteam“, erklärt der Hubert Berschauer. „So tragen sie im Konsil viele Puzzleteilchen zusammen, um ein möglichst vollständiges Bild der Patientin zu erhalten. Daraus wird eine Handlungsempfehlung entwickelt, die in ihrem Sinne wäre.“

Auch bei den Mitarbeitenden im Krankenhaus besteht Bedarf nach ethischer Beratung, denn Ärzte und Pflegende entwickeln unterschiedliche Vorstellungen darüber, was die Patienten in ihrer Situation wollen würden. Prof. Dr. Winfried Gassmann, Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie im St. Marien-Krankenhaus Siegen, wird besonders dort mit unterschiedlichen Auffassungen konfrontiert, wo unheilbar erkrankte Patienten behandelt werden: im Palliativbereich der Station D1. „In solchen Situationen ist es sehr gut, Entscheidungen nicht nur auf den Wahrnehmungen von Arzt und Pflege beruhen zu lassen, sondern einen dritten Blickwinkel zur Verfügung zu haben. Die vom Ethik-Komitee gesetzten Grundsätze und im jeweiligen Konsil entwickelte Handlungsempfehlungen helfen dadurch auch dem Team, Konflikte zu vermeiden“, sagt der Onkologe.

Auch Juliane Schneider, seit dessen Gründung in diesem Gremium aktiv, unterstreicht die Bedeutung des Angebots im St. Marien-Krankenhaus Siegen. „Gerade Angehörige schwerstkranker Menschen empfinden die ethische Beratung als Entlastung“, weiß die Verantwortliche für Ethische Fragestellungen im St. Marien-Krankenhaus Siegen. Sie betont, dass das Angebot von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen angenommen und auch von Hausärzten sowie Wohn- und Pflegeeinrichtungen angefragt werde.

Mittlerweile bearbeitet das Ethikkomitee übergeordnete Fragestellungen im Krankenhausalltag sowie in den Wohn- und Pflegeeinrichtungen. Beispiele sind die Grundlagen für das Abschalten eines Herzschrittmachers in der Kardiologie oder das Vermeiden von freiheitsentziehenden Maßnahmen durch Niedrigbetten in der Altenhilfe. Für Fallgespräche zu Patienten und Bewohnern wurden Konsile geschaffen. Ethikbeauftragte in allen Bereichen des Unternehmen sensibilisieren die Mitarbeiter und sind seit diesem Jahr als niedrigschwelliges Beratungsangebot etabliert – als Reaktion auf die gestiegene Nachfrage.

 

Quelle: St. Marien-Krankenhaus
Symbolbild: © fotodo – Fotolia.com

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