Diakonie Klinikum Jung-Stilling: Fortbildung nimmt aktuelle Therapieformen in den Fokus
Siegen. Für Patienten mit Lebertumoren, die gemeinhin als „inoperabel“ gelten, gibt es durchaus Hoffnung. Im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen ist die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie auf die Entfernung bösartiger Lebertumoren spezialisiert. „Häufig lehnen Chirurgen eine Operation ab, weil sie bei Eingriffen bestimmter Tumorarten eine zu hohe Lebensgefahr sehen. Wir aber bieten Möglichkeiten an, um auch diese Patienten vom Tumor zu befreien“, machte Professor Dr. Mohammad Golriz beim Lebersymposium in der „Stilling“-Cafeteria deutlich. Neben dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie referierten bei der Fortbildung auch weitere Experten des Diakonie Klinikums. Zu ihnen zählten die Chefärzte der Hepato-Pankreatobiliären Chirurgie, Internistischen Onkologie und Hämatologie, Radiologie sowie Gastroenterologie. Neben den Vorträgen erwartete die Gäste ein Selbsttest: Am Simulator des Da-Vinci-Robotersystems konnten sie spielerisch ihr chirurgisches Geschick unter Beweis stellen.
„Inoperabel“ – ein Wort, das ein Mediziner unter anderem dann ausspricht, wenn ein Tumor nicht entfernt werden kann. Leberzellkrebs und Lebermetastasen zählen zu Hauptgründen für eine Leberresektion (Teilentfernung des Organs). Dank modernster Verfahren und der spezialisierten Erfahrung von Experten kann Prof. Golriz mit seinem Team selbst Patienten mit komplizierten Tumorfällen vom Tumor befreien: „Die Basis bildet eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Spezialisten aus den Fachbereichen Chirurgie, Onkologie, Hepatologie, Radiologie und Gastroenterologie.“ Eine Methode bei grenzwertig operablen Tumoren ist das sogenannte ALPPS-Verfahren (Associating Liver Partition and Portal Vein Ligation for Staged Hepatectomy). Die Operation führen Chirurgen in zwei Sitzungen durch. Im ersten Schritt wird ein Gefäß der Leber unterbunden. So wird ein Wachstumsreiz in der Leber provoziert. Nach etwa einer Woche steht der zweite Teil an. „Dann ist das Leber-Volumen auf ein so hohes Maß gewachsen, dass der Patient mit ausreichend Leberfunktion versorgt wird – und wir können den erkrankten Teil sicher entfernen.“ Vorteile biete neben diesem Verfahren auch die parenchymsparende Leberresektion. Diese hat zum Ziel, tumorfreies Lebergewebe zu erhalten. Golriz: „Anstatt Teile der Leber zu entfernen, höhlen wir nur den tumorbefallenen Teil aus. So bleibt genügend Restlebergewebe erhalten.“ Wie erfolgreich bei der Durchführung dieser Maßnahmen roboterassistierte Chirurgie ist, zeigte der Fachmann anhand von Bildern: „Mit dem Da-Vinci-System machen wir nur wenige kleine Schnitte auf der Bauchdecke. Für die Patienten gibt es kaum Blutverlust, nur kleine OP-Narben und einen kurzen Krankenhaus-Aufenthalt.“
Um eine Leberresektion mit minimalem Blutverlust und ohne postoperative Komplikationen durchzuführen, ist laut PD Dr. Hamid Fonouni eine zielgerichtete Planung des Resektionsausmaßes von hoher Bedeutung. Der Chefarzt der Hepato-Pankreatobiliären Chirurgie sagte: „Maßgebend ist eine genaue präoperative Evaluation des Patienten und seiner Leberfunktion.“ Gutartige Lebertumoren sollten laut dem Fachmann beobachtet werden – außer sie lösen Symptome aus und es besteht der Verdacht auf eine Tumor-Entartung. Dann sei eine Operation das Mittel der Wahl. Zusätzlich ging Fonouni auch auf das Gallenblasenkarzinom ein. „Die Diagnose ergibt sich oft als Zufallsbefund. Wird der Tumor diagnostiziert, steht in den meisten Fällen die Leberresektion an erster Stelle.“
Parallel zur Leberresektion oder in Fällen, bei denen ein chirurgischer Eingriff nicht möglich ist, kommt eine medikamentöse Behandlung ins Spiel – per Chemo- oder Antikörpertherapie. Damit wird beabsichtigt, das Leberkrebs-Wachstum so lange wie möglich aufzuhalten oder den Tumor im besten Fall schrumpfen zu lassen. Darüber hinaus sind Immuntherapien zugelassen. Mit Medikamenten wird dabei das eigene Immunsystem aktiviert, damit es Krebszellen selbst erkennt und angreift. Dr. Martin Klump, Chefarzt Internistischen Onkologie und Hämatologie, verwies darauf, dabei die Nebenwirkungen im Blick zu haben.
Ob chirurgisch oder medikamentös – eine Therapieeinleitung ist ohne die Radiologie und damit ohne vorherige Bildgebung nicht möglich. Aufgrund innovativer Techniken steht dieser Fachbereich aber heute nicht mehr nur für bildgebende Diagnostik. Auch minimalinvasive interventionelle Eingriffe führen die Experten durch. Dazu zählt die Pfortaderembolisation, die Dr. Michael El-Sheik, Chefarzt der Radiologie, vorstellte: „Ultraschallgesteuert blockieren wir vor einer Leberoperation die Blutzufuhr zum erkrankten Teil der Leber, was den gesunden Organ-Teil zum Wachstum anregt.“ Ein weiteres Verfahren ist die Mikrowellenablation. Per Sonde und Hochfrequenz-Mikrowellen wird Wärme erzeugt, die ins Tumorgewebe dringt und das kranke Gewebe zerstört. „Es wird so lange Wärme in die Tumorzelle eingebracht, bis sie abgetötet ist.“
Abschließend sprach Dr. Ali Kartal, Chefarzt der Medizinischen Klinik I (Gastroenterologie/Hepatologie), über endoskopische Therapiemaßnahmen. Eines der wichtigsten Verfahren ist die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP). Dabei wird ein Endoskop durch den Mund und die Speiseröhre eingeführt, wodurch der Gallengang in der Leber im Röntgenbild sichtbar wird. Kartal: „Über das Endoskop können wir bei Bedarf direkt eine Diagnostik oder Therapie durchführen.“ So sei es möglich, Gallensteine zu entfernen oder an verengten Stellen einen Stent zu platzieren.
Abgerundet wurde die Fachfortbildung mit einer Übung am Simulator und Modul des Da-Vinci-OP-Roboters. Mit Daumen und Mittelfinger steuerten die Teilnehmer die Greifarme und bewegten so die Instrumente im „Körper“. Ein echter Patient lag natürlich nicht auf dem OP-Tisch. Ziel war es, kleine Ringe auf Kegel zu platzieren und ein Gefühl für das filigrane Vorgehen mit dem OP-Roboter zu bekommen. Bei der Technik, die seit 2018 im Diakonie Klinikum Jung-Stilling im Einsatz ist, bedienen sich Operateure einer Steuerkonsole. Dort erhalten sie ein dreidimensionales Bild des Operationsfeldes – zehnfach vergrößert und mit Blick auf feinste Strukturen im Körper. Die Bewegungen der Roboter-Instrumentenarme werden vom Chirurgen selbst ausgeführt, hochpräzise und zitterfrei übertragen – für mehr Patientensicherheit.
Quelle: Diakonie Südwest