Die Schilddrüse – kleines Organ mit großer Wirkung

Nuklearmediziner PD Dr. Deniz Kahraman informierte beim „Siegener Forum Gesundheit“

Siegen. Sie wiegt kaum mehr als eine Walnuss, ist aber die größte Hormondrüse des Menschen: Die Schilddrüse ist an vielen Prozessen im Körper beteiligt. Welche Therapien es bei Störungen und Erkrankungen des Organs gibt, darüber informierte Privatdozent Dr. Deniz Kahraman (Praxis für Nuklearmedizin Siegen/Kreuztal) vor zahlreichen interessierten Zuhörern beim „Siegener Forum Gesundheit“ in der Cafeteria des Diakonie Klinikums Jung-Stilling.

„Kleines Organ mit großer Wirkung“ lautete das Thema des von der Selbsthilfe-Kontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen organisierten Vortragabends. Durchaus zutreffend, denn wie ein Schmetterling, dessen Flügel sich um die Luftröhre schmiegen, sitzt die Schilddrüse im vorderen Halsbereich. Dort bildet sie lebenswichtige Hormone, die sie in den Blutkreislauf abgibt. Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (T4) spielen eine zentrale Rolle für die körperliche und geistige Entwicklung, aber auch für den Stoffwechsel. So kurbeln sie die Fettverbrennung an, regulieren Herzfrequenz und Körpertemperatur, wirken aber auch auf Nerven, Muskeln, Darm, Knochen oder die Haut ein. Benötigt der Körper mehr Energie – etwa bei Kälte, im Wachstum oder während der Schwangerschaft – produziert die Schilddrüse mehr T3 und T4. „Das bringt den Körper auf Touren“, so Dr. Kahraman, „werden weniger Hormone ausgeschüttet, läuft er auf Sparflamme.“

Dass die Schilddrüse stets die richtige Menge an Hormonen produziert, dafür sorgt die Hirnanhangdrüse (Hypophyse). Um die Bildung von T3 und T4 anzuregen, gibt sie das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) ins Blut ab. Sind zu viele Schilddrüsenhormone im Blut, hemmt dies wiederum die TSH-Bildung, erläuterte der Experte: „Dieser Regelkreislauf hält die Hormonkonzentration im Blut im Normallfall relativ stabil.“ Bei einer Unterfunktion (Hypothyreose) bildet die Schilddrüse indes zu wenig Hormone. Der verlangsamte Stoffwechsel kann sich durch Schwäche, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Hautveränderungen, Gewichtszunahme und Verstopfung bemerkbar machen. Häufigste Ursache ist eine Entzündung der Schilddrüse, wie sie etwa bei der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis auftritt. Problem: „Da die Symptome unspezifisch sind, werden sie meist nicht gleich im Zusammenhang mit der Schilddrüse gedeutet“, so Kahraman. „Bestehen solche Probleme über mehrere Wochen oder kommen sogar weitere hinzu, sollte man dies ärztlich abklären lassen.“

Gleiches gilt bei einer Schilddrüsenüberfunktion. Bei einer Hyperthyreose äußern sich die Symptome sozusagen „spiegelverkehrt“: Betroffene klagen oft über Nervosität, Herzrasen, Gewichtsverlust, Zittern, Durchfall oder vermehrtes Schwitzen. Weil der Körper permanent auf Hochtouren läuft, besteht ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch (durch den beschleunigten Knochenumbau) für Osteoporose. Auslöser ist bei jüngeren Patienten oftmals die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow. Auch eine Schilddrüsenautonomie auf dem Boden einer vergrößerten Schilddrüse, bei der die Schilddrüsenzellen nicht mehr auf die Signale der Hirnanhangdrüse reagiert, kommt als Ursache in Betracht.

In manchen Fällen kommt es zu einer sichtbaren Vergrößerung der Schilddrüse, zu einem Kropf (Struma) oder zur Bildung eines oder mehrerer Schilddrüsenknoten. Eine Struma entsteht häufig auch durch einen Mangel an Jod, das für die Bildung der Schilddrüsenhormone benötigt wird, vom Körper aber nicht selbst produziert werden kann. Zur Vorbeugung empfiehlt Dr. Kahraman daher, jodiertes Speisesalz zu nutzen und regelmäßig Fisch zu essen. „Denn bei ausgewogener Ernährung braucht es keine extra Präparate.“ 

Eine Vergrößerung der Schilddrüse macht sich oft erst spät durch Beschwerden am Hals (Engegefühl, Schluckbeschwerden, Schmerzen, Luftnot) bemerkbar. Zumeist wird dann der Hausarzt erste Untersuchungen wie Abtasten, Ultraschall sowie ein Blutbild mit Bestimmung der T3-, T4- und TSH-Werte vornehmen. Erhärtet sich der Verdacht auf eine Erkrankung, erfolgt in der Regel die Überweisung zum Spezialisten, wie in die Praxis für Nuklearmedizin Siegen/Kreuztal. Hier stehen dann weitere Diagnosemöglichkeiten wie eine Szintigraphie zur Verfügung. Bei dieser nuklearmedizinischen Untersuchung werden dem Patienten radioaktive Marker injiziert, die bestimmtes Körpergewebe sichtbar machen. So lässt sich feststellen, ob die Schilddrüse gleichmäßig arbeitet – oder ob einige Bereiche „überaktiv“ sind. Solche werden als „heiße Knoten“ bezeichnet und sind gutartig, können jedoch für eine Überfunktion verantwortlich sein. Bei „kalten Knoten“ hingegen handelt es sich um Gewebe, das wenige bis gar keine Hormone bildet. Diese sind meist ebenfalls gutartig – nur selten handelt es sich um einen bösartigen Tumor. Aufschluss kann eine Gewebeprobe (Biopsie) geben.

Je nach Art der Erkrankung stehen laut Dr. Kahraman verschiedene Therapien zur Verfügung. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion werden fehlende Hormone medikamentös ersetzt. Auch bei einer Überfunktion können zeitlich begrenzt und überbrückend Tabletten, sogenannte Thyreostatika, zum Einsatz kommen. Bei einer Struma wird zunächst versucht, durch Gabe von Jod oder Schilddrüsenhormonen den Kropf am Wachstum zu hindern oder ihn gar zu verkleinern. „Allerdings ist der Effekt begrenzt“, so Kahraman. Gute Erfolgsraten verzeichne hingegen die Radiojodtherapie. Dabei wird radioaktives Jod verabreicht, das sich ausschließlich in Schilddrüsenzellen einlagert. Durch die Strahlung, die beim Zerfall des Jods entsteht, werden die wuchernden Zellen zerstört, eine Überfunktion ausgeschaltet und die Schilddrüse verkleinert.

Alternativ kann auch operiert werden. Laut Kahraman ist eine OP erste Wahl, „wenn die Schilddrüse stark vergrößert ist, eine starke Überfunktion mit großem heißem Knoten besteht oder wenn der Verdacht auf Schilddrüsenkrebs besteht“. Über die notwendige Expertise verfügt die Endokrine Chirurgie am Siegener Diakonie Klinikum. Daneben bietet die von Chefärztin Dr. Claudia Kunold geleitete Sektion aber auch neuere minimalinvasive Methoden wie die Radiofrequenzablation, mit der sich sowohl heiße als auch kalte Knoten in bestimmten Fällen beseitigen lassen. Die gewucherten Schilddrüsenzellen werden dabei durch Hitze mittels hochfrequentem Wechselstrom verödet. Für die Behandlung, die nur wenige Minuten dauert, sind lediglich eine örtliche Betäubung und ein kurzer stationärer Aufenthalt in der Klinik erforderlich.

Quelle/Foto: Diakonie Südwestfalen

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